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News: Meinungsforschung durchgeführt

Bundestrojaner willkommen

Redaktion / 63 Antworten / Flachansicht Nickles

Der geplante Bundestrojaner zur Bespitzelung von PCs wird seit Längerem heftig diskutiert und kritisiert. Jetzt hat die ARD eine Meinungsumfrage durchführen lassen. Ergebnis: angeblich wollen jetzt 58 Prozent der Befragten die Einführung des Bundestrojaners. Vor einer Woche waren es noch nur 50 Prozent.

Ausschlaggebend für den Meinungsumschwung soll die am Mittwoch erfolgte Festnahme dreier Terrorverdächtigen gewesen sein, durch die Attentate in Deutschland verhindert wurden.

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100% ACK! :-D Olaf19
Arme Linux Nutzer Ventox
gerhard38 Ventox „Ich habe was zu verbergen, nämlich mein Privatleben. Ich habe ja auch Gardinen...“
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Seit es die Post gibt, gibt es ein Briefgeheimnis. Allerdings: Die Behörde ist berechtigt, Briefe zu spolieren [unbemerkt Einsicht zu nehmen], wenn es begründeten Verdacht auf eine kriminelle Handlung gibt.

Mit dem Telefon kam auch das "Telefongeheimnis". Gleichzeitig behielt sich die Behörde das Recht vor, Telefongespräche mitzuschneiden, wenn ein Untersuchungsrichter dazu grünes Licht gibt.

Auch kriminelle Elemente wissen daher, dass es riskant ist, dunkle Absichten per Post oder per Telefon mitzuteilen und wichen auf persönliche Gespräche aus. Zu den Gegenmaßnahmen gehören Beschattung und der "große Lauschangriff": Auf richterliche Anordnung hin darf eine Wohnung "verwanzt" werden. Der Richter muss sich das natürlich gut überlegen und muss diese Maßnahme aufgrund der Lage auch rechtfertigen können (Schwere des Delikts und Wahrscheinlichkeit, dass der zu belauschende Verdächtige mit großer Wahrscheinlichkeit auch der gesuchte Täter ist oder zu diesem führt).

Trotz Privatsphäre hatte die Finanzbehörde auch schon lange die Möglichkeit - natürlich auch hier nur bei schwerwiegendem Tatverdacht - unangekündigt klarerweise, sonst lässt der Verdächtige möglicherweise alles belastende Material rechtzeitig verschwinden -, eine Hausdurchsuchung vorzunehmen. Sie kann dann das Unterste zuoberst drehen und selbstverständlich auch PCs etc. zur genaueren Untersuchung mitnehmen. Der einzige Unterschied zu oben: Das bemerkt der Verdächtige meist - die Telefonüberwachung, die Briefspolierung, die fachgerechte Beschattung, den Lauschangriff kaum.

Das ist alles in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz, genauso, wie es in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz ist, dass die verfassungsmäßig garantierte Bewegungsfreiheit für Inhaftierte eben nicht gilt, die verfassungsmäßig garantierte Meinungsfreiheit nicht für neonazistische Propaganda gilt, und die Freiheit, mir das anzusehen, was mir gefällt, dort endet, wo es sich um Kinderpornographie handelt. Wie die Verfassung aussieht und welche Ausnahmen unter welchen Bedingungen zulässig sind, bestimmt die Gesellschaft jeweils selbst. Auch Verfassungen sind nichts Gottgegebenes und unterliegen einem Wandel.

Jetzt frag ich mich, wieso der "Bundestrojaner" ein derartiger Aufreger ist - oder hat irgendwer ernsthaft angenommen, dass der Staat sich zwar das Recht reserviert, Briefe, Telefon, häusliche Gespräche gegebenenfalls unbemerkt mitzuschneiden, in private Dokumente und Aufzeichnungen anlässlich einer Hausdurchsuchung Einsicht zu nehmen, aber ausgerechnet beim Internet und beim PC Halt macht? Wodurch sollte so eine Ausnahmestellung des privaten PCs bzw. des Internetgebrauchs begründet bzw. gerechtfertigt sein?

Wenn man von der Verfolgungsbehörde (Polizei, Verfassungsschutz, etc.) Ergebnisse erwartet, muss man sich auch überlegen, welche Mittel man dieser Behörde zur Verfügung stellt, damit sie (und nach Möglichkeit auch möglichst wirtschaftlich) zu diesen Ergebnissen kommen kann. Wenn man von "organisiertem Verbrechen" spricht, ist doch offenkundig, dass eine Organisation der Kommunikation bedarf, um sich zu organisieren. Ist es dann nicht ebenso naheliegend, die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, um die Kommunikationswege gegebenenfalls überwachen zu können?

Gruß, Gerhard

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