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War das Urteil gerecht? (geschlossen)

hatterchen1 / 57 Antworten / Flachansicht Nickles
Hast du Mist gebaut und bist von einem Gericht dazu verurteilt worden...

Sicher nicht unmöglich in einem Land, in dem eine 97 jährige zu 2 Jahren Haft verurteilt wird, weil sie als Jugendliche Schreibkraft im KZ-Stutthof tätig war.

Die Kleinsten packt man am Arsch, aber die Großen ließ man laufen und zahlte ihnen Pensionen bis an ihr Ende. Was eine verlogene Welt.

https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Stutthof-Prozess-eine-Chronologie-der-Ereignisse,stutthof232.html

Aber die Kreise, die ich meinte, ergeben sich einfach durch mein eigenes Seniorendasein.Lächelnd

Recht hast du! hjb
gelöscht_189916 hatterchen1 „War das Urteil gerecht?“
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Speziell zu Irmgard F. und warum dieser Prozeß noch geführt wurde, steht hier etwas.

Zu den Mittätern zählen nach Einschätzung von Riedle auch Frauen wie Irmgard F. Die heute 96-Jährige arbeitete als Stenotypistin und Schreibkraft von Juni 1943 bis April 1945 in der Kommandantur des deutschen Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig. Denn hinter Massenmord und anderen Verbrechen, so Historikerin Riedle, habe immer auch eine Bürokratie gestanden, in der es beispielsweise um Transportlisten oder Totenscheine ging.


Mord und damit auch Beihilfe zum Mord verjährt nicht und wird daher immer verfolgt. Das dabei nach dem Krieg die 3-Affen-Taktik gefahren wurde und daher viele der Verbrechen weder zur Anzeige kamen noch juristisch aufgearbarbeitet wurden, weil sich die inzwischen wieder im Amt stehende Alt-Nazis gegenseitig gedeckt haben oder untergetaucht waren, steht dabei auf einem anderen Blatt.

Man mag das bescheuert finden auch angesichts des Alters der Angeklagten. Umgekehrt hatten die m.E. meist auch wenig Mitleid mit ihren Opfern und wussten um das Geschehen. Genau dieses Wissen ist dabei der springende Punkt. Hier steht auch noch etwas dazu. Gemessen an dieser Aussage hätte ein Eichmann auch nie verurteilt werden dürfen, weil er nicht einen einzigen Menschen der durch ihn organisierten Transporte eigenhändig ermordet hat oder direkte Beihilfe dazu geleistet hat. Er war "nur" Bürokrat.

Der Vergleich mit den Soldaten an der Grenze hinkt dabei. Erstens fanden dazu durchaus Verfahren statt, wenn eine Beteiligung nachgewiesen werden konnte und zweitens wurde das Politbüro als Ganzes ebenfalls dafür angeklagt und Mitglieder desselbigen verurteilt, obwohl er ja so gesehen auch keine der Taten direkt begangen hat. Insofern sind diese Verfahren aus rechtsstaatlicher Sicht bei den direkt betroffenen Grenzsoldaten sehr sauber geführt worden.

Justiz ist keine moralische Instanz, sondern hat Straftaten nach Fakten und Indizien so wahrheitsgemäß als möglich zu erfassen und daraus Schuld oder Unschuld zu abzuleiten und dann ein Urteil zu fällen. Ob dabei ein mutmaßlicher Täter 16 ist oder 120 Jahre alt und in welchem Alter die Taten begangen wurden, spielt dabei keine Rolle, sonst wäre man ab einem bestimmten Alter einfach narrenfrei.

Die Strafmündigkeit von Kindern ist dabei ein anderer Aspekt und auch bei Erwachsenen wird u.a. geprüft, ob sie sich der Folgen ihres Handelns bewusst waren oder nicht. Das sind dann sehr oft die Verfahren, wo Angeklagte freigesprochen werden oder das Strafmaß sinkt, weil sie zum Tatzeitpunkt teilweise oder ganz unzurechnungsfähig waren. Das dürfte in diesem Fall mit über 2 Jahren Tätigkeit im KZ nicht der Fall gewesen sein.

Hier noch von fachlich berufener Seite etwas dazu und die Verteidigung hat bereits Berufung eingelegt. Aber auch da am Ende der Hinweis auf den Grund (Fettschrift durch mich):

Die Justiz muss in diesen Fällen ermitteln, weil es um Beihilfe zum Mord geht. 1979 hatte der Bundestag die Verjährung von Mord und Beihilfe zum Mord endgültig aufgehoben. Das bedeutet, dass sich Tatverdächtige bei Verhandlungsfähigkeit bis ins hohe Alter einem Verfahren stellen müssen.
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