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News: Gerichtsempfehlung

Schadensersatz bei Computer-Beschlagnahmung

Michael Nickles / 79 Antworten / Flachansicht Nickles

Im Fall einer Hausdurchsuchung (egal ob rechtens oder nicht) werden typischerweise sämtliche Computer beschlagnahmt. Udo Vetter hat in seinem Law Blog jetzt ein paar interessante Infos zur Sache veröffentlicht.

So sollen sich sehr viele Hausdurchsuchungen im Nachhinein als rechtswidrig herausstellen oder werden mangels Tatverdacht eingestellt. Auch soll die Auswertung beschlagnahmter Rechner bundesweit eine sehr zähe langwierige Sache sein, die Behörden sind damit anscheinend überfordert. Einkassierte Rechner sind deshalb bis zu ein Jahr lang weg.

Gemäß einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München haben Betroffene im Fall einer "ergebnislosen" Untersuchung jetzt immerhin eine Chance auf einen Schadensersatz. Laut Udo Vetter hat eine betroffene Frau Prozesskostenhilfe beantragt, um wegen Nutzungsaufalls ihrer beschlagnahmten Rechner zu klagen. Das wurde bewilligt.

Die Richter beurteilten einen internetfähigen Rechner als "Lebensgut", seine ständige Verfügbarkeit im Privathaushalt ist also eine Selbstverständlichkeit. Betroffene haben durch diese Entscheidung also eine gute Chance erfolgreich auf Schadensersatz zu klagen. Reich werden sie damit allerdings wohl kaum.

Denn auch bezüglich der "Schadenssumme" haben die Richter eine Richtlinie geschaffen. Demnach gilt zunächst mal, dass ein Computer im Haushalt ausreicht. Die monatliche Mietgebühr für einen PC wurde auf 200 Euro brutto eingeschätzt. Im Fall der Betroffenen wurde allerdings kein PC gemietet.

Das Gericht bewilligte daher 40 Prozent "Kompensation" vom Netto-Betrag: konkret 2,30 Euro Schadensersatz pro Tag. Im Fall der betroffenen Frau bringt der Ausfall mit einer Dauer von 77 Tagen also 177 Euro - so sie es schafft, mit ihrer Klage vor Gericht durchzukommen.

Michael Nickles meint: Sehr lesenswert sind die Kommentare zum Blog-Beitrag von Udo Vetter. Denn da wird unter anderem ein ganz anderer Punkt ins Spiel gebracht. Und zwar der, dass im Fall einer Beschlagnahmung typischerweise nicht nur der Rechner sondern die komplette EDV-Ausstattung einkassiert wird.

Also auch Monitore, Mäuse, Tastaturen und dergleichen. Hier ist es gewiss sehr fraglich, ob das nötig ist.

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Was die Bullen gemacht haben:
-1- Auf die Frage nach einem konkreten Tatverdacht und woraus er sich ergibt fanden sie im Durchsuchungsbefehl keine Antwort. Die Begründung war allgemein gehaltenes Wischiwaschi.
- 2 - War irgendeiner der vorhandenen Rechner besonders verdächtig? - "Taten" konnten nur von jeweils einem einzigen Rechner begangen worden sein. Welcher von den sieben und evtl. drei weiteren Rechnern jeweils für was benutzt wurde, war nicht festzustellen. - Also alle Rechner mitnehmen, obgleich von vornherein feststand, dass die meisten der dann beschlagnahmten Rechner nicht "Tatwerkzeug" sein konnten?
- 3 - Welcher Schaden für den Betroffenen würde eintreten, wenn irgendeiner der Rechner oder mehrere Rechner samt der installierten Programme und samt der darauf befindlichen Daten beschlagnahmt würden? Stand ein Nutzen der Maßnahme noch in irgendeinem Verhältnis zu dem Risiko, dass sie ins Leere laufen würde, zumal ja jede Form eines gesetzwidrigen Verhaltens bestritten wurde und es keine Beweise gab, die ja erst gesucht und gefunden werden sollten?
- 4 - Der leitende Beamte führte auf Anraten des Angeschuldigten ein Telefongespräch mit einer übergeordneten Instanz und zog nach dem Gespräch unverrichteter Dinge wieder ab.

Es gab aber noch ein Nachspiel, bei dem der Richter ganz schlecht wegkam. Der hatte nämlich in der Begründung völlig gleichlautende Durchsuchungsbefehle ohne Einzelfallprüfung am Fließband unterzeichnet, so dass sie sämtlich rechtswirdig waren. Auch wurde bei einer Nachprüfung der vorgetragene Anlass für etwaige Durchsuchungen als "absolut nicht ausreichend" erachtet.

Dies alles wäre wohl so nie herausgekommen, wenn die Polizei in einem bestimmten Fall nicht an den Falschen geraten wäre. Mittlerweile läuft alles etwas bedächtiger ab, weil die Justiz mit drakonischem Durchgreifen zu oft auf die Fresse gefallen ist.
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