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News: Müssen und doch nicht dürfen

Juristen wollen Blogger in den Wahnsinn treiben

Redaktion / 21 Antworten / Flachansicht Nickles

Stefan Niggemeier steckt in der Klemme. Er wurde gerichtlich dazu gezwungen, die Kommentare von Lesern seines Blogs zu überwachen. Jetzt droht ihm der Berliner Datenschutzbeauftragte mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 50.000 Euro, falls er das weiterhin tut. Hintergrund des Wahnsinns ist eine Geschichte von 2007.

Niggemeier hat sich damals in seinem Blog kritisch über die Geschäftspraktiken einer Call-In-Fernsehsendung geäußert. Sonntagmorgens um 3.37 Uhr wurde dieser Blog-Beitrag von einem Leser mit einem abmahnbaren Beitrag kommentiert. Niggermeier entdeckte diesen kritischen Kommentar Sonntagvormittag und löschte ihn um 11.06 Uhr. Das war leider nicht schnell genug. Die Betreiber der kritisierten Call-In-TV-Sendung hatten den Beitrag bereits gelesen und eine Abmahnung in die Wege geleitet.

Das "berüchtigte" Hamburger Landgericht stimmte der Abmahnung schließlich zu und lieferte eine bizarre Urteilsbegründung: wenn ein Blogger einen "heiklen" Artikel veröffentlicht, dann muss er davon ausgehen, dass dieser zu "heiklen" Kommentaren provozieren. Drum hätte er alle Kommentare vor deren Freigabe auf der Seite manuell überprüfen müssen. Ein derartiger manueller Check von Leserkommentaren ist natürlich so gut wie unmöglich - beziehungsweise bedeuten derlei "Kommunikationsverzögerungen" den Tod für ein interaktives Webangebot.

Die Betreiber der Call-In-TV-Sendung haben ihren Forderungen gegen Niggemeier damals übrigens zurückgezogen: die "Bestrafung" mit unangenehmer Publicity war ihnen dann wohl doch zu groß. Aufgrund der "Unmöglichkeit" lehnte Niggemeier das manuelle Vorabkontrollieren von Leserkommentaren ab, zeigte sich aber Kooperativ, was die Überwachung der Kommentare anbelangt.

Um im Fall einer Abmahnung auf den Verfasser verweisen zu können, speichert Niggemeier unter anderem die IP-Adresse der Kommentarverfasser. Das Speichern der IP-Adresse hält der Blogger auch für unverzichtbar, um permanente hartnäckige Störenfriede "wegfiltern" zu können. Genau mit dieser "Datenspeicherung" ist der Berliner Datenschutzbeauftragte nicht einverstanden.

Niggemeier soll die Kommentare gefälligst manuell prüfen, wie damals vom Hamburger Landgericht gefordert. Zumindest gab man Niggemeier eine "Alternative": er muss bei jedem Kommentarfeld ausdrücklich drauf hinweisen, dass die IP-Adresse gespeichert wird. Das tut er jetzt notgedrungen.

Natürlich hat Niggemeier den ganzen Wahnsinn ausführlich dokumentiert: Schöner Kommentieren mit Datenschutz.

Geltendes Recht.... jonnyswiss
Gleiches Recht für alle? Olaf19
Mitstörerhaftung Olaf19
Olaf19 InvisibleBot „ Es ist ein Grundprinzip des Rechtsstaates, dass nicht der Angeklagte seine...“
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Schön wärs... Bot, was du beschreibst, gilt für das *Straf*recht! Im Zivilrecht gibt es gar keinen "Angeklagten", es gibt Kläger und Beklagte. Juristisch sind das zwei paar verschiedene Schuhe.

Klar, auch in einem Zivilrechtsverfahren müsste es wohl der Kläger sein, der die Rechtmäßigkeit seiner Ansprüche beweisen muss, nur - so weit kommt es ja gar nicht erst. Der potenzielle/spätere Kläger hetzt erst einmal seinen Anwalt auf den später evtl. zu Beklagenden und lässt den abmahnen. Dafür braucht er zunächst einmal gar keine Rechtsgrundlage, insbesondere braucht er nicht im Recht zu sein.

Jetzt könnte die Gegenseite natürlich die Abmahnung zurückweisen und es auf einen Rechtsstreit ankommen lassen - und genau davor haben viele (verständlicherweise) Schiss: "Bibber, schlotter, da zahl ich doch lieber die 1000 € Abmahngebühr, bin zwar im Recht, aber Recht haben und Recht bekommen ist ja immer zweierlei blablabla...".

Zumal der Abmahner oft wirtschaftlich größer und mächtiger ist als der Abgemahnte - mein Paradebeispiel: Telekom mahnt kleinen Telekommunikationsdienstleister ab, weil der - völlig rechtmäßig! - die Farbe Magenta benutzt...

CU
Olaf