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News: Verbraucher irregeführt

Bundesgerichtshof verurteilt Himbeertee ohne Himbeeren

Michael Nickles / 14 Antworten / Flachansicht Nickles
Bundesgerichtshof. Erbgroßherzogliches Palais mit Brunnen. (Foto: Joe Miletzki)

Der Bundesgerichtshof hat ein namhaftes deutsches Teehandelsunternehmen wegen Irreführung von Verbrauchern verklagt (Az. I ZR 45/13). Streitgegenstand war die Produktaufmachung des Früchtetees "Felix Himbeer-Vanille-Abenteuer".

Auf der Verpackung waren Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten sowie die Hinweise "nur natürliche Zutaten" und "FRÜCHTETEE MIT NATÜRLICHEN AROMEN". Tatsächlich enthält dieser Tee keine Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeere.

Der klagende Verbraucherverband war der Ansicht, dass diese Angaben auf der Verpackung des Tees Verbraucher über die Zusammensetzung des Tees in die Irre führen. Geklagt wurde daher auf Unterlassung und Zahlung von Abmahnkosten.

Wie in solchen Fällen üblich folgte eine Gerichtsorgie. Das Landgericht gab der Klage statt, im Berufungsverfahren wurde sie abgewiesen. Das Berufungsgericht ging davon aus, die Verbraucher würden aufgrund der Angabe "natürliches Aroma mit Vanille- und Himbeergeschmack" im Zutatenverzeichnis erkennen, dass in dem Früchtetee keine Bestandteile von Vanille und Himbeeren enthalten sind.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union um Klärung der zentralen Frage ersucht. Und zwar, ob die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 der Richtlinie über die Etikettierung von Lebensmitteln* durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellung den Eindruck des Vorhandenseins einer bestimmten Zutat erwecken dürfen, obwohl die Zutat tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 dieser Richtlinie** ergibt (vgl. Presseerklärung Nr. 37/2014 vom 28. Februar 2014). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Frage verneint.

Somit hat der Bundesgerichtshof dann die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und das Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Er wurde geurteilt, dass durch die hervorgehobenen Angaben "HIMBEER-VANILLE- ABENTEUER" und die Abbildungen von Vanilleblüten und Himbeeren der Eindruck erweckt wird, im Tee seien Bestandteile oder Aromen von Vanille und Himbeeren enthalten.

Das Vorhandensein des Zusammensetzungsverzeichnisses auf der Verpackung, wird nicht als ausreichend empfunden die Irreführung aufzuheben.

In der Meldung des Bundesgerichtshof finden sich noch folgende abschließende Hinweise (Originaltext):

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf - Urteil vom 16. März 2012 - 38 O 74/11

OLG Düsseldorf - Urteil vom 19. Februar 2013 - 20 U 59/12

BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - I ZR 45/13 - Himbeer-Vanille Abenteuer I, GRUR 2014, 588 = WRP 2014, 694

EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 - C­195/14 ­ Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne)

*Art. 2 der Richtlinie 2000/13/EG

(1) Die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, dürfen nicht

a) geeignet sein, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht

i) über die Eigenschaft des Lebensmittels, namentlich über Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart;

ii) durch Angabe von Wirkungen oder Eigenschaften, die das Lebensmittel nicht besitzt;

iii) indem zu verstehen gegeben wird, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen;

b) …

(2) …

(3) Die Verbote oder Einschränkungen nach den Absätzen 1 und 2 gelten auch

a) für die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere die Form oder das Aussehen dieser Lebensmittel oder ihrer Verpackung, das verwendete Verpackungsmaterial, die Art und Weise ihrer Anordnung sowie die Umgebung, in der sie feilgehalten werden;

b) für die Werbung.

**Art. 3 der Richtlinie 2000/13/EG

(1) Die Etikettierung der Lebensmittel enthält nach Maßgabe der Artikel 4 bis 17 und vorbehaltlich der dort vorgesehenen Ausnahmen nur folgende zwingende Angaben:

1. …

2. das Verzeichnis der Zutaten,

3. …

(2) …

Michael Nickles meint:

Hier steht nur "aromatisiert mit Kirsch- und Vanille-Geschmack" drauf. An so einer Bezeichnung besteht gewiss Möglichkeit zur Beanstandung. (Foto: Teekanne).

Respekt! Es hatte gerade mal drei Jahre gedauert um diesen Fall zu klären. Den Teeproduzenten kostet diese Niederlage gewiss nur ein Taschengeld. Lesenswert ist auch, wie "Teekanne" versucht hat, sich in der Sache rauszureden.

Da heißt es zum Beispiel: "Die auf dem Produkt abgebildeten stilisierten Früchte weisen lediglich auf die Geschmacksrichtung hin.".

Die Verarschung von Verbrauchern ist inzwischen derart selbstverständlich geworden, dass Hersteller wohl gar nicht mehr schnallen, was für einen Wahnsinn ihre Marketing- und Werbeexperten produzieren. Bezüglich Verbrauchernepps scheint keinerlei Schuldbewusstsein mehr zu existieren.

Es geht hier wohlgemerkt um einen recht günstigen "paar Euro"-Früchtetee. Fälle von Verbraucherarsche in ganz anderer Dimension (Stichwort "Flatrate") gibt es mehr als genug. Kernproblem sind nicht die Gesetzesauflagen, die (wie auch oben aus dem Anhang der  Bundesgerichtshofmitteilung ersichtlich) durchaus sinnvoll vorhanden und auch umsetzbar sind.

Der Mist ist, dass jeder Einzelvorfall zig Jahre verhandelt wird und das den Hersteller dann nur ein kalkulierbares Taschengeld kostet. Gerade bei Verbraucherirreführung im Lebensmittelbereich fordere ich daher drastische Strafen. Betrüger sollte hier als Strafe die Hälfte des Jahresumsatzes blechen müssen. Es muss so elend weh tun, dass sich einfach keiner mehr schamlosen Beschiss traut. Alles andere ist für den Arsch.

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fakiauso Michael Nickles „Bundesgerichtshof verurteilt Himbeertee ohne Himbeeren“
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@Hans_Moser und dirk42799

Irgendwo dazwischen liegt die Realität.

Wer das mag und sich leisten kann, der soll doch gute Ware kaufen und wo es möglich ist, auch saisonal und aus der Region. Immerhin hilft das vielleicht etwas, nicht auch noch den letzten lokalen Erzeuger dem Kommerz der grossen Ketten zu opfern. Die auch in Deutschland vorhandenen Armen können es nicht und sind auf das 'Billigangebot' angewiesen.
Was dabei völlig fehl am Platze ist, ist Sozialneid sowohl in die eine als auch die andere Richtung. Sowohl an der Tatsache ist etwas dran, das manche 'Sparen' um jeden Cent und ohne zu hinterfragen, auf wessen Kosten als auch daran, dass manche sich einfach nicht mehr leisten können, wenn sie noch halbwegs an dieser Gesellschaft Anteil haben wollen. Gutes Essen ist auch Kultur und frei nach Brecht kommt erst das Fressen und dann die Moral.

Der Mist ist, dass jeder Einzelvorfall zig Jahre verhandelt wird und das den Hersteller dann nur ein kalkulierbares Taschengeld kostet. Gerade bei Verbraucherirreführung im Lebensmittelbereich fordere ich daher drastische Strafen. Betrüger sollte hier als Strafe die Hälfte des Jahresumsatzes blechen müssen. Es muss so elend weh tun, dass sich einfach keiner mehr schamlosen Beschiss traut. Alles andere ist für den Arsch.


Dann viel Spass in der näheren Zukunft. Sollten die Freihandelsabkommen tatsächlich so abgeschlossen werden wie es geplant ist, dann kann der Teeproduzent darauf hin vor einem anonymen Schiedsgericht seiner Wahl im gleichen Atemzug das jeweilige Land auf Schadenersatz durch den erwarteten Gewinnausfall klagen.
Das ist hier im Kleinen, was im Grossen schon immer Usus war. Der Verbraucher hat über Produktauswahl zwar einen kleinen Einfluss auf derartige Dinge, aber am Ende liefe man dann nackt und ohne alles durch die Botanik, wenn man auf jedes Produkt verzichtete, das irgendwie verbraucherkritisch sein könnte. Die oben genannten existentiellen Zwänge sind da noch gar nicht enthalten.
Wer es sich leisten kann, darf natürlich gerne zu Waren greifen, die halbwegs vernünftig hergestellt wurden und damit ein paar Tropfen im Verbrauchermeer sauberer machen.

Öfter mal gar nicht kaufen bei Konsumartikeln ist natürlich auch ok, wobei das angesichts des zu erwartenden Rausches vor Weihnachten Wunschdenken bleiben wird - stell Dir vor, es ist Adventssamstag und die Innenstädte sind leer, weil die Menschen sich mit ihrer Anwesenheit beschenken und Gedanken statt Materielles tauschen...

"Anyone who believes exponential growth can go on forever in a finite world is either a madman or an idiot (or an economist)" - Hellsongs
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