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News: Vermutlich schon Tausende betroffen

Abmahnungwelle für Porno-Stream-Gucker hat begonnen

Michael Nickles / 90 Antworten / Flachansicht Nickles

Vor einer neuen großen Porno-Abmahnwelle warnt Rechtsanwalt Christian Solmecke. Bereits mehrere tausend deutsche Nutzer sollen wegen des Anguckens von Pornofilmen im Internet eine saftige Abmahnung kassiert haben.

Abmahnungen wegen Pornosachen sind an für sich nichts Neues. In der Vergangenheit wurden schon häufig Tauschbörsen-Nutzer wegen Pornos belangt - das macht keinen Unterschied zu normalen Filmen oder sonstigen Raubkopien, Urheberrechtsverletzungen.

Wer von Deutschland aus Pornos "kostenlos" und ohne Altersverifzierung im Internet verbreitet, der macht sich in der Regel sogar doppelt strafbar: wegen Urheberrechtsverletzung und wegen Zugänglichmachung von Pornos für Minderjährige. So war es schon immer.

Redtube.com Webpräsenz (Foto zensiert)

Eine ganze neue Qualität hat die aktuelle Abmahnwelle allerdings, weil die Nutzer einer Streaming-Plattform, im konkreten Fall redtube.com, abgemahnt werden. Im Gegensatz zu Tauschbörsen, bei denen man bereits während dem Downloaden meist selbst zum "Bereitsteller"/"Verbreiter" wird und dafür belangbar ist, sind Video-Streaming-Plattformen eigentlich eine Einbahnstraße.

Ein angeklickter Pornofilm wird direkt auf den eigenen Rechner gesendet. Wer guckt, ist also nicht auch Anbieter eines Films, verbreitet ihn nicht. Deutsche-Redtube-Nutzer werden also offensichtlich alleine für den Abruf von Videostreams zur Kasse gebeten.

Laut Solmecke werden von den Nutzern jeweils 250 Euro verlangt, die sich aus 149,50 Euro Rechtsanwaltsgebühren, 20 Euro Post- und Telekommunikationspauschale und 65 Euro für den Ermittlungsaufwand der angeblichen Rechtsverletzung zusammensetzen. Hinzu kommen noch 15,50 Euro an Schadensersatzforderung. Aus Sicht von Anwalt Solmecke ist es völlig unklar, wie sich dieser Schadensanspruch von 15,50 Euro errechnen soll. Er vermutet dass hier die Lizenzgebühren für den Filmkauf angesetzt werden und nicht die Gebühren für das Angucken.

Bei Solmecke sollen vorgestern bereits 200 Betroffene angerufen haben. Er rechnet daraus hoch, das vermutlich bereits mehrere tausend Nutzer eine Abmahnung in dieser Sache erhalten haben und noch kein Ende in Sicht ist.

Hinweis: Aufgerollt wurde die ganze Geschichte wohl durch einen Blog-Beitrag von Rechtanwalt Karsten Gulden - dort findet sich weiterer interessanter Lesestoff zum Vorfall.

Michael Nickles meint:

Kann man für das Abrufen eines Videostreams belangt werden? Wegen illegaler Verbreitung eines Werks gewiss nicht, weil die Streams wie gesagt nur von der jeweilgen Streaming-Plattform gesendet werden. Nutzer können also bestenfalls belangt werden (wie Pay-TV-Schwarzgucker), weil sie sich eine kostenpflichtige Leistung erschlichen haben.

Auf der Redtube-Webpräsenz steht oben unter dem Logo allerdings klar und deutlich "Home of free porn videos", also "Heimat von freien Pornovideos". Wie soll jemand der hier einen Stream per Klick startet wissen, dass es sich vielleicht nicht um ein freies Amateurvideo handelt?

Extrem heikel ist gewiss auch die Frage, wie die IP-Adressen der Redtube-Nutzer überhaupt ermittelt werden konnten. Generell gibt es nur zwei offensichtliche Möglichkeiten. Der Internetanbieter eines Nutzers weiß natürlich, welche Webseiten der besucht und welche Daten er dort abruft. Und der Betreiber eines Streaming-Portals wie Redtube weiß logischerweise, von welcher IP-Adresse welcher Stream abgerufen wurde - andernfalls könnte er nicht gesendet werden.

Als dritte Möglichgkeit bleibt, dass sich irgendwer irgendwie zwischenrein gehängt und "mitprotokolliert" hat. Das halte ich technisch aber für kaum realisierbar, so man nicht über ein Lauschinstrumentarium wie die NSA verfügt. Denkbar ist aber, dass alles beispielsweise über "Trojaner" abgewickelt wurde, der Datentraffic auf Redtube.com umgeleitet wurde.

Betroffene wussten eventuell also nicht einmal, dass sie es mit Redtube.com zu tun haben. Ich bin sehr gespannt, wann die ersten Gerichtsentscheidungen in dieser Sache fallen. Betroffenen rate ich ausdrücklich, sich wegen der "Pornoabmahnung" auf keinen Fall zu schämen und einen Anwalt einzuschalten.

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xafford Borlander „RA Udo Vetter hat sich im law blog ebenfalls zu der ...“
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Es gibt in dem Fall noch mehr Ungereimtheiten, hier nur eine kleine, unvollständige Liste aus dem Gedächtnis:

  • Die abgemahnten Filme sind bei Google (zumindest unter diesem Titel) quasi nicht existent (gewesen, denn nun tauchen die Titel natürlich in zig Blogs und Foren auf - aber eben nur die Titel).
  • Der Auftraggeber der Kanzlei bietet wohl selbst eine "Technik" an um Streaming-Nutzer zu ermitteln - würde dies stimmen, dann wäre hier Auftraggeber identisch mit Ermittler - dies würde auch die 65 Euro "Ermittlungsgebühr" in einem recht seltsamen Licht erscheinen lassen.
  • Dieses Unternehmen stellt wohl laut bisherigem Kenntnisstand selbst keine Porno-Filme her, sondern hat sich die Rechte an der Verwertung wohl "beschafft".
  • Die angeblichen Zeitpunkte der angeblichen Vergehen liegen teilweise über 5 Monate zurück.
  • Zumindest eines der "Werke" ist wohl noch immer bei Redtube online - es scheint also keine Anstrengungen gegeben zu haben dies entfernen zu lassen.
  • Es gibt wohl in Foren einige begründete Vermutungen, dass die Clips vom Rechteinhaber selbst online gestellt wurden - zumindest war von einem User zu lesen, dass der Avatar des Uploaders auf Redtube eine sehr starke Ähnlichkeit mit einem Profilfoto eines der Geschäftsführer auf Facebook aufweisen würde.
  • Mehrere User konnten in ihrem Browser-Verlauf zwar keinen Eintrag für Redtube finden, dafür für eine ähnlich klingende Domain (Vertipper-Domain) deren Qhois-Einträge verschleiert sind und die als Inhalt Redtube anzeigt.
  • Eine weitere Domain bietet anwaltliche Unterstützung bei Streaming-Abmahnungen - gezielt wohl bei denen durch U+C - so weit nicht verwunderlich, allerdings wurde die Domain wohl Ende November registriert, die ersten Abmahnungen gingen wohl aber mutmaßlich erst Anfang Dezember raus.
  • Abgemahnte behaupten nie auf der Seite gewesen zu sein oder zur fraglichen Zeit teilweise gar nicht zuhause - aber das muss nicht wirklich stimmen in Anbetracht der Umstände.

Letztendlich birgt der Fall einige ganz dicke Fragezeichen. Die Kanzlei begründet die Abmahnung mit der temporären Vervielfältigung (der lokal zwischen gespeicherten Datei) währen des Betrachtens des Streams - eine sehr eigenwillige Interpretation, zumal das Urheberrecht genau für den Fall des Streamings eine temporäre Kopie ausdrücklich erlaubt, wenn diese technisch notwendig ist - wäre dies nicht der Fall, dann könnte es überhaupt kein legales Streaming geben. Auch eine eventuell im Urheberrecht zu findende Privatkopie könnte dieser Abmahnung ein Bein stellen, denn diese ist wohl bei einer legalen Quelle durchaus erlaubt.

Bliebe also noch der Haken mit einer möglicherweise nicht legalen Quelle - aber auch hier sehen die Begleitumstände so aus, dass dies nicht zutrifft aus mehreren Gründen. Erstens ist Redtube ein Unternehmen des quasi größten Porno-Unternehmens weltweit - naiv betrachtet muss man also von einer "seriösen" Quelle ausgehen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass dieses Video sogar vom Rechte-Inhaber selbst hoch geladen wurde, was es damit auch zu einer legalen Quelle gemacht hätte. Der Verdacht wird noch verstärkt, da der Rechteinhaber wohl bisher keine größeren Anstrengungen unternommen hat dieses Video entfernen zu lassen.

Noch ein großes Fragezeichen wirft diese urheberrechtliche Abmahnung noch angesichts der Tatsache auf, dass Porno-Filme laut eines Münchner Gerichtes überhaupt nicht die nötige Schöpfungshöhe aufweisen würden um urheberrechtlichen Schutz zu genießen.

Weiterhin bleibt natürlich das dickste Fragezeichen in dem Fall: Die Herkunft der IP-Adressen - hier halte ich eigentlich nur wenige Möglichkeiten für plausibel:

  • Über gezielt bei den Clips eingebundene Werbung - allerdings glaube ich nicht, dass es dieser Weg war.
  • Über den Betreiber von Redtube - dies würde ich aber ausschließen, da der Betreiber sich damit selbst das Geschäft kaputt macht.
  • Über die ominöse Vertipper-Domain, die als Spiegel für Redtube dient und deren Besitzer seine Identität verschleiert - dies halte ich für den wahrscheinlichsten Weg. Aber da kommt dann ein weiteres Fragezeichen hinzu - wie viele Leute werden wohl zufällig genau so einen Vertipper verbocken und dann auch noch genau diese handvoll unbekannter Videos bei Redtube anschauen wollen? Auch hierfür gäbe es eine Lösung, die ich aber hier aus rechtlichen Gründen lieber nicht ausbreiten will...

Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass diese Abmahn-Aktion sich als Bumerang für die Kanzlei herausstellen könnte und es würde mich nicht wundern, wenn sich die Staatsanwaltschaft in näherer Zukunft auch für diese Geschichte interessieren könnte.

Pauschalurteile sind immer falsch!!!
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Kein Problem xafford
Neue ... Ansmann
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