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News: Herr Keese erzählt Käse

Das Leistungsschutzrecht und die Lobbyisten...

xafford / 36 Antworten / Flachansicht Nickles

Der für den Springer-Konzern tätige Lobbyist Christoph Keese gab der Seite Horizont.net ein Interview in dessen Verlauf er Google als Taliban bezeichnete, die sich gegen den Fortschritt stemmt und diesen verhindert. Zudem unterstellte er Google implizit, dass es mit dem Beachten der robots.txt (einer Textdatei mit Anweisungen für Suchmaschinen) mit Vorsatz eine steinzeitliche Technik anbieten würde die den Verlagen nur die Wahl lassen würde zwischen den zwei Optionen im Internet für alle Suchmaschinen unsichtbar zu sein, oder ihre Inhalte frei verfügbar zu machen.

Man sollte vielleicht in diesem Zusammenhang wissen, dass Herr Keese nicht irgend jemand ist, sondern mutmaßlich der "Ghostwriter" des Leistungsschutzrechtes - aber er steht mit seinen Vorwürfen nicht alleine. Gestern bezeichnete sein Quasi-Brötchengeber Herr Döpfner von Springer Google bereits als Hehler der sich an fremdem Eigentum bereichert. Auch verschiedene Politiker werden nicht müde sich über Google zu empören wie zum Beispiel Herr Lammert der die Anzeigenkampagne von Google gegen das Leistungsschutzrecht für dreist erachtet. Als kleine ironische Randnotiz sollte man vielleicht über die unfreiwillige Komik nachdenken, dass diese Anzeigenkampagne auch in der gedruckten Presse erscheint, die sich so nachdrücklich darüber empört.

xafford meint:

Klar, Googles Slogan ist zwar "don´t be evil", jedoch nicht "do no evil" - meine Sympathien für Google halten sich doch sehr in Grenzen - wie für alle gewinnorientierten Unternehmen. Klar hat Google einen Vorteil aus deren News-Seiten, sonst würden Sie diese nicht anbieten, auch ohne dass dort Werbung geschaltet wird. Aber eigentlich ist es eine klassische Win-Win Situation. Google hat etwas davon, die Verlage haben eigentlich auch etwas davon - nur wohl anscheinend nicht so viel wie sie gerne hätten oder meinen bekommen zu können. Aber jetzt einmal weg vom Vorgeplänkel und hin zum Thema:

Was Herr Keese bezüglich der robots.txt von sich gibt ist entweder ein peinliches Dokument seiner Ahnungslosigkeit, oder aber eine freche (und im Interview unkommentierte) Lüge. Was von beidem man glauben will ist Ansichtssache. Jedenfalls ist die robots.txt zwar nur eine Textdatei aus der IT-Steinzeit (sogar weit älter als Google), ihre Möglichkeiten sind jedoch mehr als weitreichend. So ermöglicht sie nicht nur dass man Dateien, Verzeichnisse oder Dateitypen von der Durchsuchung ausschließen kann (bei Suchmaschinen, die diese Datei auswerten wie Google es tut) - sie bietet sogar die Möglichkeit über den sogenannten User-Agent genau zu definieren, für welche Suchmaschine und für welchen Suchalgorithmus (zum Beispiel Google News, aber nicht die normale Google-Suche) diese Regeln gelten sollen, mit der Option für verschiedene Suchmaschinen verschiedene Regeln zu definieren. Allein die folgenden zwei Zeilen würden dafür Sorgen dass die Kronjuwelen der armen und darbenden Verlage nicht bei Google News erscheinen würden:

User-agent: Googlebot-News
Disallow: /

Und die Seiten würden trotzdem von jeder anderen Suchmaschine gelistet, sogar in der normalen Google-Suche würden sie auftauchen. Vielleicht sollte Herr Keese einmal die Administratoren der Springer-Presse fragen, diese scheinen dies zu wissen da sie diese Techniken ja offensichtlich auf deren Servern einsetzen. Zusätzlich kann auf jeder beliebigen Seite über sogenannte Meta-Tags Google mitgeteilt werden, dass eine Seite nicht durchsucht (noindex), nicht archiviert (noarchive) oder auch keine Textauszüge (nosnippet) erstellt werden sollen, auch explizit nur für die Google-News-Suche. Auch dies ist im Hause Springer sehr wohl bekannt da es auf deren Seiten angewandt wird - für Herrn Keese scheint diese Information jedoch neu zu sein - zumindest vermittelt er dies...

Zudem, was Steinzeit und Verhinderung von Fortschritt (oder neuer Geschäftsmodelle) angeht würde mir Google nicht als erstes einfallen, Verlage dürften da bei mir ungefähr 10.000 Stellen früher auftauchen - aber das ist ein anderes Thema.

Was Herrn Döpfner dann dazu bewegt jemanden als Hehler zu bezeichnen, dem man die Tür geöffnet und ihn eingeladen hat, erschließt sich mir nicht wirklich.

Zu guter Letzt noch die grobe Kelle für die Herren (und Damen) Politiker, die es ach so unerträglich finden, dass Google eine Anzeigenkampagne gegen ein "Lex-Google" startet - also ein Individualgesetz welches ganz gezielt gegen Google gerichtet ist, es aber auf der anderen Seite für völlig in Ordnung finden, dass Verlagslobbyisten ihnen die Gesetzesvorlagen auf den Schreibtisch zaubern und deren Tatsachenverdrehungen als Wahrheit aus zweiter Hand kolportieren: Ihr wundert euch wirklich über Politikverdruss? Ja, das war eine rhetorische Frage. Was ist schlimmer: Politik korrumpieren, oder Politik kritisieren? In diesem Fall scheint die Antwort aus den Reihen der Politik klar.

Sagen wir es einmal, wie es unbestreitbar ist:

  • Jeder Verlag hätte die Möglichkeit Google News zu deaktivieren.
  • Jeder Verlag könnte auch genau das Verhalten von Google News steuern (komplette Snippets, nur Überschrift, komplette Verweigerung).
  • Keiner der Verlage, die für das Leistungsschutzrecht plädieren, nutzt diese.
  • Jeder dieser Verlage weiß um diese Möglichkeit, was ihre Internetseiten beweisen.
  • Diese Verlage platzieren ein Gesetz, das Google dazu verpflichtet für die Verlinkung auf ihre News mittels Textauszügen zu bezahlen.
  • Gleichzeitig warnt Herr Keese Google jetzt schon davor NICHT MEHR auf die Seiten der Verlage zu verlinken und der Status Googles als Quasi-Monopolist bei Suchmaschinen wird wohl dafür sorgen, dass Google tatsächlich dazu verdonnert wird sie zu verlinken und zu zahlen.

Die Verlage sind also dabei ein schönes Modell zu etablieren: Man zwingt Google dazu für etwas zu zahlen das man ihnen frei anbietet und verbietet ihnen gleichzeitig es nicht zu nutzen. Perfektes System einer ansonsten im Sterben befindlichen Spezies. Google hat eigentlich nur noch die Möglichkeit Google-News in Deutschland komplett einzustellen - aber ich bin sicher, auch dagegen lässt sich ein Gesetz kaufen, das am 31.12.2013 um 23:59 Uhr "durchgewunken" werden kann.
Pauschalurteile sind immer falsch!!!
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torsten40 xafford „Für die Seiten der großen Verlage (Bild, Welt, Zeit und ...“
Optionen
aber wenn einmal eine Unterseite nicht mehr direkt auf der Homepage prominent verlinkt ist dann kommt außer über Google kaum mehr ein Mensch darauf.
Wie wahr.
Wie oft habe ich Seiten per site: über Google gesucht, und wiederfinden können.
ist der Prozentsatz wesentlich höher als 50
Und ist auch der Grund, warum es nicht zum Einsatz der robots.txt kommt.
Ich sehe die Verlage schon jammern, sollte das Gesetz tatsächlich durch kommen.
Sie wollen schon über die Google Suche gefunden werden, und dafür bezahlt werden, dass Google die Beiträge listet. Auch wenn Google bestimmt nicht der Retter der freien Medien ist, so sollten die doch mal für einige Zeit die betreffenden Verlage aus dem Suchindex rausschmeißen.

Die Mehrheit der Nutzer googlet eben, und "bingt" oder "yahoot" nicht.
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