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News: Geheimes Handbuch veröffentlicht

Wie und wann Microsoft seine Nutzer verrät

Michael Nickles / 12 Antworten / Flachansicht Nickles

Für US-Strafverfolgungsbehörden hat Microsoft einen ganz besonderen Service. Unter anderem existiert ein (bislang) geheimes Handbuch, in dem Microsoft den Behörden seine Online-Dienste erklärt und mitteilt, wie die persönlichen Daten der Nutzer dieser Dienste ermittelt werden können.

Konkret geht es um sozusagen alle Internet-Live-Dienste von Microsoft: Hotmail, Messenger, MSN, Office Live, Live Space, MSN Groups bis hin zu Xbox Live. Aus dem 22seitigen Handbuch geht leicht verständlich hervor, wie Microsoft die Nutzerdaten bei seinen Live-Diensten speichert, was alles protokolliert wird und welche Auswertungsmöglichkeiten bestehen.

Microsoft erklärt den Justizbehörden also, in wie weit Microsoft bei Strafverfolgung behilflich sein kann.

Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis dieses streng vertrauliche Geheimdokument seinen Weg ins Internet findet. Das ist am Wochenende durch die "Enthüllungs-Webseite" Crytome.com passiert. Dort wurde das brisante Dokument zum Runterladen für Jedermann veröffentlicht.

Unter Berufung auf das umstrittene US-Gesetz "DMCA" (Digital Millennium Copyright Act) hat Microsoft den Webseiten-Hoster "Network Solutions" dazu "gezwungen", Crytome.com zumindest vorübergehend abzuschalten.

Das DMCA-Gesetz verbietet unter anderem die Verletzung von Copyright, dem natürlich auch das geheime Handbuch von Microsoft unterliegt. Wie praktisch immer bei solchen Vorgehensweisen, war natürlich auch die von Microsoft total sinnlos.

Der Betreiber von Crytome.com ist praktisch augenblicklich zur neuen Domain http://cryptomeorg.siteprotect.net gewechselt.

Der Umzug ist zwar noch nicht vollständig, aber ganz oben finden sich schon mal sechs "Mirror-Links", über die das Microsoft-Handbuch von verschiedenen Webseiten gesaugt werden kann. Die Geheimsache ist ab sofort also für alle Ewigkeit öffentlich. Das Internet vergisst solche Dokumente nicht.

Auch das US-Magazin Wired.com hat sich das PDF natürlich sofort geschnappt und bietet es zum Download an. Hier der direkte Link: Microsoft Online Services - Global Criminal Compliance Handbook.

Michael Nickles meint: Ein Skandal oder voll normal? Nein, ein Skandal ist es gewiss nicht. Selbsterklärend wird JEDES US-Unternehmen mit der Regierung kooperieren, wenn es um den Kampf gehen Terror geht. Ob Microsoft die Behörden auch bei "einfacheren Strafdelikten" unterstützt, geht aus dem Handbuch natürlich nicht hervor.

Lesenswert ist das Ding auf jeden Fall. "Kriminelle" dürfte die Information erfreuen, dass Microsoft einen LiveID-Account nur dann selbstständig (also schnell) identifizieren kann, wenn ein vollständiger Account-Name mit Domain angegeben wird (@hotmail.com, @msn.com, @live.com). Wird nur ein Alias- oder Nickname verwendet, klappt die Identifikation anscheinend nicht.

Mein erster schneller Eindruck vom Handbuch: Sensationelle Enthüllungen gibt es keine. Microsoft protokolliert eigentlich genau das, was halt protokolliert werden muss, damit die Live-Dienste überhaupt funktionieren können. Im Fall des Live Messengers wurde schon oft spekuliert, ob Microsoft "mitlauscht" was Teilnehmer so miteinander chatten.

Szenario: Einer schreibt einen Bekannten einen Witz über Terroristen und ein paar Minuten später tritt das BKA die Wohnungstür ein. Im geheimen Handbuch ist kein Hinweis zu finden, dass eine derartige Belauschung stattfindet.

Verschwörungstheoretiker werden jetzt gewiss behaupten, dass Microsoft und die US-Regierung selbst dafür gesorgt haben, dass das geheime Handbuch öffentlich wird. Um zu suggerieren, das die Überwachung viel harmloser ist, als wirklich der Fall.

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