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Nickles.de --- von der Fachseite zur Anfänger-Zone

Bundeskanzler Schröder / 34 Antworten / Flachansicht Nickles

Servus,

vor einem Jahr war die Welt auf Nickles.de noch in Ordnung. Es wurde über spannende Themen diskutiert und es ging oft ins Detail. Es war das Forum der Freaks und PC-Insider ;-) Aber seit Beginn des Jahres 2001 entwickelte sich das Diskussionsforum BLITZSCHNELL zur totalen (!) Anfänger-Zone. Das Niveau der Fragen UND der Antworten sank erheblich ... Und nun? Wie sieht es heute aus? FURCHTBAR! Überall nur Newbies *gähn* Ich besuche schon lange andere Foren wie z.B. www.Planet3dnow.de und www.teccentral.de! Es muss sich definitiv etwas ändern, denn in meinen Augen verliert Nickles.de immer mehr seinen (noch) guten Ruf als "fachliches Diskussionsforum"...

In stiller Trauer
B.K. Schröder

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die grünen (Anonym) Bundeskanzler Schröder „Nickles.de --- von der Fachseite zur Anfänger-Zone“
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Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Schröder,

auch ich begrüße wie wohl alle verantwortungsbewussten Halter und Züchter von Schildkröten die Kennzeichnungspflicht für geschützte Tierarten, um dem unkontrollierten Handel mit Tieren Einhalt zu gebieten, die der Natur entnommen wurden.

Leider musste ich in den letzten Tagen feststellen, dass in Deutschland nun doch die Transponder-Implantation auch für geschützte Schildkröten ab 500g Gewicht Pflicht werden soll.

Die von der DGHT im Auftrag des BfN durchgeführte Studie zur Individualerkennung ('Reptilienpass'), deren Ergebnis ein weitaus besseres, sichereres und der Gesundheit der Tiere zuträglicheres Verfahren beschreibt, soll offenbar von den zuständigen Behörden unter den Tisch gekehrt werden.

Ich will versuchen, die Gründe darzulegen, warum m.E. für Schildkröten der Reptilienpass so viel besser als die Transponder-Implantation geeignet ist, den Gedanken des Artenschutzes zu realisieren.

1. Die im Auftrag des BfN von der DGHT durchgeführte Studie zur Individualerkennung hat eindrucksvoll bewiesen, dass sie eine sichere Identifikation ermöglicht.

2. Die o.a. Studie hat nachgewiesen, dass die Identifikation aufgrund der Fotodokumentation leicht vor Ort ohne zusätzliche apparative Ausrüstung von jedermann durchgeführt werden kann. Beim Transponder muss ein entsprechendes Lesegerät zur Verfügung stehen.

3. Die Dauerhaftigkeit der Panzer-Merkmale scheint aufgrund o.a. Studie wissenschaftlich abgesichert zu sein, wohingegen zur Dauerhaftigkeit der Transponder keine Langzeitstudien vorliegen (zumindest wenn die extrem hohe Lebenserwartung gesunder Schildkröten zugrunde gelegt wird). Wenn man allerdings die Langlebigkeit sonstiger heutiger Elektronikbauteile betrachtet, darf bezweifelt werden, dass heute eingesetzte Transponder in 10 / 20 / 30 oder mehr Jahren noch mit den dann zur Verfügung stehenden Lesegeräten erkannt werden können (30 Jahre alte Computermedien sind heutzutage jedenfalls nicht mehr mit vertretbarem Aufwand lesbar). Das bedeutet: die Transponder müssen in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden (falls die Schildkröte dies oft und lange genug überlebt).

4. Da wohl niemand heute in der Lage ist, Panzermerkmale durch Schleifen, Lackieren o.ä. zu fälschen, scheint die Fotodokumentations-Methode das Kriterium der Fälschungssicherheit zu erfüllen. Bei den Transpondern kommen jedem ernstzunehmenden Computerfachmann sofort Zweifel, ob ausgerechnet diese aufgrund der Größe und eines vertretbaren Herstellungspreises so relativ schlichten Mikrochips (PIT) fälschungssicher sein können. An diesem Punkt sind bisher alle noch so aufwendigen Produkte nach wenigen Jahren gescheitert.

5. Einen dokumentierten (und somit als legal eingestuften) Panzer von einem toten auf ein lebendes Tier zu transferieren, wird wohl niemand ernsthaft versuchen. Anders sieht dies bei einem Transponder aus: die Übertragung von einem toten (legalen) auf ein lebendes (illegales) Tier kann konstruktiv nicht viel komplizierter sein als die ursprüngliche Implantation.

6. Eine Fotodokumentation kann naturgemäß das Tier nicht beeinträchtigen. Hingegen gibt es beim Transponder seitens reptilienerfahrener Tierärzte erhebliche Bedenken ob der hohen gesundheitlichen Risiken für das Tier. Allein die Vollnarkose, die aus Tierschutzgründen bei der Implantation notwendig ist, birgt große Risiken für das Tier. Aufgrund der speziellen Eigenart des Reptilien-Bindegewebes besteht zudem (im Gegensatz zu Säugetieren) eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Transponder im Gewebe 'wandert' und eine Spur der 'Verwüstung' hinter sich herzieht. Es sind schon Transponder, die im Vorderbein implantiert wurden, in vereitertem Zustand in Schwanznähe wieder operativ entfernt worden. Bei dieser Wanderung 'im Wege liegende' innere Organe können sehr leicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

Die gesundheitliche Gefahr durch den Transponder wird anschaulicher, wenn man seine Größe in Relation setzt zur Größe seines Trägers. Die heutigen Transponder sind 12 mm lang und 2 mm dick. Wenn man die mittlere Größe einer 500 g schweren Schildkröte auf 15-18 cm Länge schätzt, wäre eine vergleichbare Transpondergröße für Menschen mindestens 12 cm Länge und 2 cm Dicke. Das wäre selbst für Menschen mit ihrem leistungsfähigen Bindegewebe keine vernachlässigbare Größe für subcutane oder auch intramuskuläre Implantation.

7. Was passiert mit Tieren, deren Transponder z.B. nach 20 Jahren oder auch eher defekt wird ? Ihnen kann ja noch nicht mal einfach ein neuer Transponder eingepflanzt werden, da ihre Identität nicht eindeutig nachgewiesen werden kann. Also doch Fotodokumentation, um bei Ausfall des Tranponders die Identifikation durchführen zu können?

8. Welche Fahrtstrecke ist einem Schildkröten-Besitzer zuzumuten, um einen Tierarzt zu finden, der so weitgehend die Risiken der Implantation ignoriert, dass er bereit ist, sie auszuführen ?

9. Wer trägt die Kosten, wenn infolge des Eingriffs das Tier krank wird oder stirbt ?

10. Wie kann ein Käufer einer Schildkröte, der zufällig kein Transponder-Lesegerät besitzt, sicher sein, seine Schildkröte legal zu erwerben ?

Mit der Hoffnung darauf, dass Sie, Herr Bundeskanzler, diese vermutlich für viele Schildkröten, deren Art vom Aussterben bedroht ist, tödlich verlaufende Zielsetzung der Transponderpflicht noch abwenden können, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

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