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News: Wikimedia vs. David Slater vs. Affe

Das Urheberrecht ist affig

xafford / 26 Antworten / Flachansicht Nickles

Seit das Internet populär ist vermehren sich Meldungen über seltsame Auseinandersetzungen um das Urheberrecht von Tag zu Tag. Mittlerweile ist man da vieles gewöhnt, aber manchmal wird man doch noch durch noch seltsamere Meldungen überrascht - so wie in diesem Fall.

Affen Selfie (Quelle: Screenshot commons.wikimedia.org)

In diesem besonderen Fall geht es um einen britischen Naturfotografen, nennen wir ihn einmal David Slater, eine sehr haarige Dame und die Wikimedia Foundation. Die Hintergrundgeschichte ist schnell erzählt. Herr Slater reiste im Jahr 2011 auf der Suche nach Fotos von Makaken nach Indonesien. Bei einem Fototermin klauten ihm jedoch eben jene Affen gemeinerweise eine Kamera und benutzten Sie um unzählige Fotos zu schießen. Viele davon waren - wie zu erwarten - reichlich unbrauchbar. Jedoch waren unter diesen auch einige Schnappschüsse, die gut waren. Sie waren sogar so gut, dass sie ihren Weg im Internet fanden - unter anderem in die Wikimedia Commons.

Wikimedia stellt sich quer (Quelle Screenshot commons.wikimedia.org)

An dieser Stelle könnte die Geschichte zu Ende sein, wäre Herr Slater nicht unzufrieden damit gewesen, dass diese Fotos ohne sein Einverständnis genutzt werden. Aus diesem Grund streitet er sich jetzt mit der Wikimedia darum, dass diese Fotos (im speziellen geht es um eines) seinem Urheberrecht unterliegen und sie deswegen entweder entfernt werden müssen, oder er Lizenzgebühren einfordern könne. Nachdem sich die Wikimedia weigerte das Foto zu entfernen, will er nun vor Gericht gehen.

Die Diskussion um dieses Foto ist auf commons.wikimedia.org dokumentiert.

Quelle: commons.wikimedia.org

xafford meint:

Das Urheberrecht ist schon eine seltsame Kreatur. Auch wenn man einmal Unterschiede im angelsächsischen und im deutschen Urheberrecht außen vor lässt, dann dürfte dieser Fall aber trotzdem zu Ungunsten von Herrn Slater klar sein: Wenn jemand das Urheberrecht an dem betreffenden Bild hat, dann die freundlich lächelnde Makaken-Dame. Man mag ihr zwar einen Mangel an Zahnpflege und eine etwas steife Mimik vorwerfen, aber unzweifelhaft drückte sie den Auslöser der Kamera.

Herr Slater argumentiert nun, dass dies zu seinen Lasten geht, er die Kosten für die Reise tragen musste, es seine Kamera war und er für die Randbedingungen sorgte (die sich wohl darauf beschränkten den Affen unvorsichtigerweise seine Kamera zu überlassen), aber diese Argumentation ist doch etwas absurd. Warum absurd? Hier ein paar Beispiele:

  • Wenn Herr Slater nach Indonesien gereist wäre und seine Kamera Herrn Perkasa geliehen hätte, der sich selbst fotografiert - Herr Slater würde leer ausgehen, auch wenn er die Kosten für die Reise getragen hätte.
  • Würde ich nach Indonesien reisen und Herrn Slater meine Kamera geliehen hätte um damit ein Selbstprotrait zu schießen ginge ich leer aus, auch wenn ich die Kosten für die Reise getragen hätte.
  • Wäre die nette Makaken-Dame nach Englad gereist und hätte Herrn Slater ihre Kamera geliehen um ein Portrait zu schießen, dann wäre die nette Dame leer ausgegangen, da könnte sie noch so nett lächeln.

Aber mal weg von logischen Argumenten, hin zu juristischen:

  • Rein juristisch kann nur eine juristische Person ein Urheberrecht haben und nach menschlichem Recht kann dies (man kann es korrekt finden, oder falsch) nur ein Mensch sein.
  • Der Affe hat also kein Urheberrecht an dem Bild, dies bedeutet aber nicht automatisch, dass dann eine andere Person das Urheberrecht haben muss, denn zu einem Urheberrecht gehört eine Schöpfungshöhe, also eine schöpferische Leistung.
  • Eine Kamera von Punkt A nach Punkt B zu bringen und diese dann geklaut zu bekommen dürfte keine Definition schöpferischer Leistung erfüllen.
  • Bliebe nur das Verwertungsrecht. Dies kann aber nur der Urheber gewähren und da ein Affe juristisch kein Urheber sein kann wurde bestimmt auch kein Verwertungsrecht juristisch wasserfest an Herrn Slater übertragen.

Kurz und gut - Herr Slater wird sich die Gerichtskosten wohl sparen können, denn es geht in keinem Urheberrecht darum, wer die Kamera oder deren Transport an den Zielort bezahlt hat, sondern wer ein Foto schießt. Man kann zwar verstehen, dass jemand sich ärgert, wenn ihm Geld entgeht, aber ohne die kreative Leistung der Affen hätte es diese Fotos nie gegeben - genau genommen hat Herr Slater bestimmt noch Fotos in Indonesien geschossen, die er hätte verkaufen können (und bestimmt auch hat).

Wer selbst eine Meinung zu dem Thema hat, kann auch hier darüber abstimmen, wem nun das Urheberrecht zusteht.

Epilog: Wer sich jetzt fragt, warum die Fotos in den Screenshots geschwärzt sind dem will ich kurz erklären, dass auch Nickles aktuell einer ähnlich grotesken juristischen Auseinandersetzung um das Urheberrecht auf Fotos ausgesetzt ist und noch eine weitere nicht wünschenswert ist, aber hierzu wird Mike bald detailliert berichten.

Pauschalurteile sind immer falsch!!!
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Absurd torsten40
Nein, affig : xafford
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Mal abgesehen davon, dass ich diese Posse reichlich albern finde und das Gebaren des Fotografen eher als geschäftsschädigend für ihn betrachte, hat die Medaille natürlich 2 Seiten.

In einer Welt in der Arbeiter auf 1/100s gestoppt werden und sich Konzerne weiße Hintergründe patentieren lassen können, muss man wohl damit rechnen, dass es in allen möglichen und unmöglichen Bereichen zu absurden Geschehnissen kommt und sich auch Einzelpersonen versuchen den letzten Cent zu sichern.

Der Mann wird die Sache etwa so sehen: meine Kamera, meine Speicherkarte und niemand der sonst Anspruch auf die Urheberschaft geltend machen kann. Wem gehören eigentlich die Bilder, die mit Selbstauslöser gemacht werden, oder mittels technischer Hilfsmittel, wie Lichtschranken? Gerade bei solchen Schärfefallen kann man im Grunde nur die Automatik machen lassen und der schöpferische Prozess beschränkt sich auf Einkauf und Transport. Kreativ würde ich das jetzt  nicht unbedingt nennen wollen. Die Affen haben lediglich die Funktion einer automobilen Lichtschranke übernommen.

Dazu kommt aber, dass ihn die anderen Fotos wohl nicht sonderlich wurmen, nur dieses, wie ich finde sehr gelungene, Exemplar. Ich glaube er machte sich berechtigte Hoffnungen, dass er damit ordentlich verdienen könnte. Er hat die Bilder veröffentlicht und ganz ehrlich, mir fiele es nicht ein, mir irgendwo Bilder zu nehmen, nur weil die einen witzigen Hintergrund haben. Darauf auf freie Verfügbarkeit zu schließen halte ich für reichlich gewagt. Bilder von Crittercams sind auch kein Allgemeingut, obwohl die kreative Leistung nur im Befestigen der Kamera besteht. Ja, Haustiere gehören jemandem, aber man kann sie auch Wildtieren umhängen.

Außerdem hat er nur etwas in Besitz genommen, auf das niemand Anspruch erhebt. Wäre das im Zoo passiert und der Zoo als Besitzer des Affen würde stellvertretend Ansprüche anmelden, wäre es eine andere Geschichte. Somit finde ich sein Ansprüche berechtigt, das Theater aber lächerlich.

Das wahre Leben ist nicht der Kampf zwischen Gut und Böse, sondern zwischen Böse und noch Schlimmeren!(Joseph Brodsky)
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