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News: Nachspiel des BPjM-Leak

Jugendschützer drohten Netzpolitik.org mit Anzeige wegen Link

Michael Nickles / 10 Antworten / Flachansicht Nickles

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien bietet zur Indizierung unter anderem das sogenannte "BPjM-Modul" an. Dieses Modul enthält eine Liste von Webseiten, die aus Sicht der Prüfstelle jugendgefährdend sind oder anderweitig strafrechtlich relevant.

Dieses "Filtermodul" können beispielsweise Suchmaschinenanbieter einbinden um sicherzustellen, dass die betroffenen zensierten Seiten in den Fundlisten nicht mehr angezeigt werden. Auch kann das BPjM-Modul in Kinderschutz-Software eingebunden werden oder Router-Hersteller können es entsprechend integrieren.

Die Liste der zensierten Webseiten-URLs ist selbsterklärend geheim, beziehungsweise war es bis gestern. Grundsätzlich ist die Liste zwar verschlüsselt, Hackern ist es jetzt aber gelungen sie zu knacken und sie wurde vollständig im Netz veröffentlicht.

Auch deutsche Web-Nachrichtenportale haben über den Vorfall berichtet und teils zu der Liste verlinkt, die immer noch auf einer ausländischen Webpräsenz präsentiert wird. Die Bundesprüfstelle hat auf diese Veröffentlichung reagiert und unter anderem die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) informiert. Diese hat dann Netzpolitik.org mit einer Anzeige wegen “Zugänglichmachung von Kinderpornografie” gedroht.

Erstmals in 10 Jahren an Berichterstattung hat Netzpolitik.org deshalb einen Link aus einem Beitrag entfernt.

Im Beitrag über den Hack der Liste hat Netzpolitik unter anderem festgestellt, dass die geheime Liste nicht sonderlich tauglich ist. Über die Hälfte der darin befindlichen URLs sollen inzwischen gar nicht mehr existieren oder sogenannte Fälle von "Overblocking" sein.

Die Bundesprüfstelle weist bestätigt in ihrer Mitteilung die Echtheit der Liste und weist darauf hin, dass sie unter anderem Links enthält "deren bloßer Aufruf eine Strafverfolgung nach sich ziehen kann". Aufgrund des Hacks der Liste, wurde Strafantrag gegen Unbekannt gestellt.

Rechtlich heikel bei der Geschichte ist, dass die Bundesprüfstelle den Kollegen von Netzpolitik.org mit einer Anzeige wegen "Zugänglichmachung strafbarer Inhalte" gedroht hat. Genau das haben die Kollegen ihren Angaben nach aber nicht getan.

Sie haben lediglich auf eine andere Webseite verlinkt, die zu den Informationen weiterführt. Damit darf jetzt also abermals das Thema aufgekocht werden, ob eine Haftbarkeit für Links möglich ist. Die Verlinkung von Netzpolitik.org hat lediglich zu einer Webpräsenz geführt auf der detailliert beschrieben wird, wie sich die Liste des BPjM-Moduls hacken lässt. Und zudem wurde auf dieser Webpräsenz auch die Liste der indizierten Links veröffentlicht - allerdings nur in Textform und nicht klickbar.

Die Betreiber von Netzpolitik.org haben diesen Sacheverhalt so erklärt und auch, dass ein Großteil von Anwälten das gleichermaßen sieht, also keine "Zugänglichmachung strafbarer Inhalte" stattgefunden hat.

Dennoch war den Kollegen, das Risiko zu hoch. Der schwerwiegende Vorwurf einer Verbreitung von Kinderpornografie kann nicht nur einen Imageschaden verursachen, sondern auch jahrelangen Stress durch Gerichtsverfahren und enorme anwaltliche Kosten bedeuten - von den drohenden Strafen mal ganz abgesehen.

Aus diesem Grund hat sich Netzpolitik entschlossen den Link zu entfernen. Auch Heise.de hat sich entschlossen, den Link zu entfernen um seine Mitarbeiter vor einer eventuellen Strafverfolgung zu schützen.

Michael Nickles meint:
Die "satanische" Seite "BpJMleak". Hier wurde der Hack veröffentlicht und die Liste in nicht-anklickbarer Textform.

Da hab ich noch mal Glück gehabt. Auch ich wollte gestern beinahe eine News zur Sache veröffentlichen und ich hätte darin auch auf die kritisierte Webpräsenz verlinkt.

Ganz einfach deshalb, weil diese Verlinkung unvermeidlich ist um ordnungsgemäß zu berichten, zu dokumentieren, dass und wie der Hack der Liste möglich ist.

Die "verbotene Seite" beschreibt in Englisch, wie der Hack durchgeführt wurde und sie listet die URL der zensierten Seite wie gesagt in Textform auf, sie sind nicht klickbar. Wer die verbotenen Seiten sehen will, muss die URLs also explizit markieren und dann in eine Browser-URL-Zeile kopieren oder ausführen lassen.

Ob sich dieser Markierungsaufwand lohnt, bezweifle ich. Die Liste umfasst rund 3.000 URLs, die meisten davon sind vom Titel her als Webseiten mit "üblichen bis härteren" XXX-Inhalten einzuschätzen. Ich bezweifle, dass diese 3.000 URLs auch nur einen Bruchteil der XXX-Inhalte im Netz abdecken.

Auch konnte ich anhand der Bezeichnungen in der Liste auf die Schnelle nichts erkennen, was nicht sowieso bis zum Abwinken im Internet simpel zu finden ist. Und zwar ganz einfach mit einer Bilder-/Video-Suche mit Bing, Google und Co.

Diese ausländischen Suchmaschinen präsentieren schamlos auch die widerlichsten Inhalte von nicht vorstellbar bis garantiert unvorstellbar. Solange Google und Co in Deutschland nicht verboten werden, ist die Arbeit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien komplett für den Arsch. Alle Weile lassen die halt was von sich hören, weil sie Angst haben, dass ihre Sinnlosigkeit im digitalen Zeitalter erkannt wird und ihre Jobs flöten gehen.

Der englischsprachige Wikipedia-Beitrag zur BPjM weist darauf hin, dass Deutschland das einzige westliche demokratische Land ist, das über eine Organisation wie die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien verfügt (gemeint ist damit wohl vor allem auch die Zensurberechtigung der BPjM).

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Michael Nickles Olaf19 „War das nicht schon längst entschieden und mit Ja ...“
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So weit mir bekannt gibt es doch dieses "Heise-Urteil", nach dem Links generell erlaubt sind. ABER: nur dann, wenn zum Zeitpunkt des Verlinkens nicht erkennbar war, dass der Link zu einem strafbaren Inhalt führt. Genau das war hier nicht der Fall! Auf der verlinkten Seite gab es keine strafbaren Inhalte. Und dort gab es auch keine LINKS zu strafbaren Inhalten, sondern eben nur eine textliche Auflistung nicht-klickbarer URLs.

Grüße,
Mike

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