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News: Zoff wegen Warnung vor Windows 8

Microsoft lässt wegen Zeit-Bericht Einstweilige Verfügung verhän

Michael Nickles / 6 Antworten / Flachansicht Nickles

Die Zeit hat kürzlich einen Beitrag veröffentlicht, in dem beschrieben wurde, dass die Bundesregierung vor dem Einsatz von Windows 8 warnt. Grundlage dieses Beitrags sollen interne Regierungsdokumente gewesen sein, die der Zeit angeblich zugespielt wurden. Nachzulesen ist das jetzt nicht mehr. Microsoft hat die Zeit per Einstweiliger Verfügung dazu gezwungen, den Bericht zu entfernen:

Auf der ursprünglichen Webseite des Artikels erklärt die Zeit, dass Microsoft eine Einstweilige Verfügung erwirkt hat und der Beitrag bis zur gerichtlichen Entscheidung nicht weiter verbreitet werden.

Microsoft hat selbst eine kurze Pressemitteilung zum Vorfall rausgelassen.

Darin erklärt Shelley McKinley, Chefjustiziarin der Microsoft Deutschland GmbH:

 "Nachdem eine kollegiale Anfrage auf dem kurzen Dienstweg negativ beschieden worden war, sahen wir uns gezwungen, den gerichtlichen Weg einzuschlagen. Unzutreffende Headlines, wie diese, sind massiv geschäftsschädigend und beeinträchtigen die Rechte unseres Unternehmens."

Michael Nickles meint:

Einstweilige Verfügungen sind eine tolle Sache. Im Fall einer Pressesache heißt das, dass der Beitrag quasi über Jahre hinweg verschwunden ist. Denn: der Weg bis zu einer endgültigen Gerichtsentscheidung ist elend lang.

So Microsoft sich den richtigen fliegenden Gerichtsstand ausgesucht hat, wird das eine sehr lange und teure Geschichte. Die Zeit wird erstmal bei einem Landgericht verlieren und anschließend beim Oberlandesgericht. Irgendwann in ein paar Jahren wird die Sache dann wohl beim Bundesverfassungsgericht enden.

Das nötige Kleingeld für den juristischen Krieg hat die Zeit gewiss, für einen normalen Journalisten bedeutet so eine Einstweilige Verfügung prinzipiell das Existenzende. Wie schon in meinem Blog-Beitrag Reisebericht - Hamburg für 10 Euro pro Nacht, verlinke ich hier nochmals einen Heise-Beitrag, den man gar nicht oft genug verlinken kann: Hamburg hört in Karlsruhe auf.

Sollte die Zeit in ein paar Jahren gewinnen und den Bericht wieder veröffentlichen dürfen, dann hat Microsoft sowieso gewonnen, weil dann längst Gras über die Sache gewachsen ist.

Dass Microsoft gegen die Zeit eine Einstweilige Verfügung verhängt hat, ist eine jämmerliche Fehlentscheidung!

Erstmal gilt zu Microsoft festzustellen, dass man dort eigentlich ein verdammt dickes Fell hat - sonst hätten die mich schon bei den ersten Nickles-Büchern finanziell in den Bankrott geklagt.

Der Bericht der Zeit und dessen Verbreitung muss Microsoft schon elend übel aufgestoßen sein. Zu einem Zeitpunkt wo es mit Windows 8 ohnehin nicht so rund läuft wie es soll, ist eine "Warnung vor Windows 8" natürlich das Letzte, was Microsoft brauchen kann.

Und ja! Natürlich kann eine Schlagzeile wie "Bundesregierung warnt vor Windows 8" eine geschäftsschädigende Auswirkung haben. Der beanstandete Beitrag der Zeit wurde am 21. August veröffentlicht - oder am 20. August. Ich kann das aktuell nicht mehr feststellen, weil der Beitrag weg ist.

Bereits am 21. August gab es auf jeden Fall eine Stellungsnahme des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik. Und bereits umgehend darauf, am 22. August hat die Zeit über diese Stellungsnahme mit der Schlagzeile Bundesamt hält Windows 8 nicht für "gefährlich" detailliert berichtet. In diesem Bericht hat die Zeit auch weitere Zitate aus den ihr vorliegenden Regierungsunterlagen veröffentlicht. Darunter dieses sehr deutliche:

"Windows 8 und dessen Nachfolger Windows 8.1 sowie das TPM 2.0 sind bereits heute aufgrund ihrer aktuellen technischen Spezifikation und Umsetzung hinsichtlich der fehlenden Kontrollierbarkeit und des damit verbundenen Widerspruchs zu den Eckpunkten der Bundesregierung in der Bundesverwaltung nicht einsetzbar."

Das IST eine unmissverständliche Warnung vor Windows 8, die keinen Spielraum zum Schönreden lässt. Ich gehe an dieser Stelle davon aus, dass die Zeit nicht gelogen hat, das obige Zitat tatsächlich aus einem Regierungsdokument stammt. Die Zeit wird das nun wohl nachweisen müssen.

Klar erkennbar ist auf jeden Fall, dass die Zeit - gerade im Hinblick auf die aktuelle Sensibilität für Datenschutz - mit ihren Berichten eine sinnvolle und wichtige Diskussion ausgelöst hat. Dass Microsoft diese Diskussion mit einer Einstweiligen Verfügung stört, ist eine Schande.

Das ist kein Angriff auf die Zeit - es ist ein Angriff auf die Pressefreiheit in Deutschland.

Für diesen Beitrag habe ich ursprünglich die Überschrift "Microsoft erklärt Pressefreiheit in Deutschland den Krieg" geschrieben, aber das nachträglich entschärft. Eine juristische Auseinandersetzung mit Microsoft kann ich mir nicht leisten - so funktioniert Pressezensur.

Möge der Shitstorm gewaltig werden!
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