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So weit sind wir schon!

gelöscht_84526 / 9 Antworten / Flachansicht Nickles

Namen von (!) verurteilten (!) Schwerverbrechern dürfen nicht im Internet genannt werden.

Heise schreibt dazu: "Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg bestätigt derzeit Ansprüche aus den in großer Zahl verschickten Abmahnungen einer Kanzlei, welche die Namensnennung von Mördern nach Ablauf von 6 Monaten verbieten lassen will. Betroffen sind nicht nur aktuelle Berichte, sondern auch Archive."

Den vollständigen Bericht kann man hier lesen: Klick.

Da weiß man nicht, was man dazu sagen soll.....

Gruß
K.-H.

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Hesl gelöscht_84526 „So weit sind wir schon!“
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Hi K.-H.,

eins vorweg: Dies ist keine Verteidigung des Abmahnanwalts - wirklich nicht. Dennoch muss man zum Thema Datenschutz und Veröffentlichungen mal folgendes festhalten:

Der deutsche Presserat, zuständig für die Ausgestaltung des redaktionellen Datenschutz', hat entsprechende Richtlinien erlassen. Du findest sie unter
http://www.presserat.de/Datenschutz-im-Kodex.137.0.html
Dort "Richtlinien zu Ziffer 8" anklicken und dort unter der Richtlinie 8:3 lesen:

"Richtlinie 8.3 - Resozialisierung
Im Interesse der Resozialisierung müssen bei der Berichterstattung im Anschluss an ein Strafverfahren in der Regel Namensnennung und Abbildung unterbleiben, es sei denn, ein neues Ereignis schafft einen direkten Bezug zu dem früheren Vorgang."

Das heißt, dass eine Zeitung (oder ein Radio-Sender, oder ein TV-Sender, oder eine Internet-Zeitung) nicht nur bei der Folgeberichterstattung, sondern auch in dem Moment, in dem sie Archivmaterial in der Folgeberichterstattung benutzt, den einst eventuell ausgeschriebenen Namen abkürzen, schwärzen, unkenntlich machen muss.

Natürlich kann eine Zeitung nicht ihr Papierarchiv nehmen und darin die Namen schwärzen. Aber es ist eben ein Unterschied, ob es um die abgehefteten Zeitungen geht (die man nur einzeln und unter vergleichsweise großem Aufwand recherchieren kann), oder um ein elektronisches Archiv (in dem natürlich ganz andere Recherchemöglichkeiten herrschen).

In der Präambel des Pressekodex' heißt es: "Die Regelungen zum Redaktionsdatenschutz gelten für die Presse, soweit sie personenbezogene Daten zu journalistisch-redaktionellen Zwecken erhebt, verarbeitet oder nutzt. Von der Recherche über Redaktion, Veröffentlichung, Dokumentation bis hin zur Archivierung dieser Daten achtet die Presse das Privatleben, die Intimsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Menschen."

Und da kommt das Internet in Spiel: Sofern die archivierten Daten (und auch Namen von verurteilten Mördern sind personenbezogenen Daten) einfach so über das Internet recherchierbar und abrufbar sind, kann man schon mal darüber sinnieren, ob nicht derjenige, der die Daten ins Internet stellt, die Verantwortung dafür zu übernehmen hat, dass mit den Daten den Gesetzen entsprechend umgegangen wird.

In einem Fallbeispiel aus der Arbeit des Presserates heißt es:
"Da weiterhin der ursprüngliche Artikel mit den darin verwendeten Daten jederzeit in dem elektronischen Archiv der Zeitung angefordert werden kann, besteht die Regelverletzung potenziell fort. Sie kann mit jedem Aufrufen des Beitrages durch Dritte fortgesetzt werden. Solange der Artikel mit den personenbezogenen Daten abrufbar ist, verstößt er gegen Ziffer 8 des Pressekodex, auch wenn er mit einem Hinweis auf den Folgeartikel verbunden ist. Nach Abwägung aller Aspekte hält das Gremium den hier vorliegenden Verstoß gegen die Publizistischen Grundsätze für so schwer wiegend, dass es die Maßnahme der Missbilligung wählt. Gleichzeitig wird die Zeitung gebeten, in entsprechender Anwendung von Ziffer 3 des Pressekodex alle notwendigen technischen und organisatorischen Vorkehrungen zu treffen, um eine Wiederholung der Regelverletzung auch durch Dritte zu vermeiden. Dies gilt insbesondere auch für die elektronische Archivierung und Weiterverbreitung des monierten Beitrages."
(Das ganze Fallbeispiel steht unter http://www.presserat.de/Fallbeispiel-Einzelanz.218+M5195076a8c4.0.html )

Was soll das alles heißen: Letztlich nur, dass derjenige, der sich wie Presse aufführt, auch damit rechnen muss, dass er nach Massstäben der Presse gemessen wird. Wie gesagt, das ist überhaupt kein Plädoyer für die Tätigkeit des Abmahnanwalts; eher dafür, sich genau darüber im Klaren zu sein, was man eigentlich tut, wenn man alles möglich so einfach ins Internet stellt.

Greetz,
Hesl



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