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News: Gericht entscheidet für Kontoüberwachung

Jetzt darf jeder schnüffeln

Redaktion / 6 Antworten / Flachansicht Nickles

Das Bundesverfassungsgericht hat zugunsten der Überwachung von Bankkonten entschieden. Diese Entscheidung ist allerdings nur vorläufig und gilt bis zu einem endgültigen Urteil. Demnach darf jetzt praktisch jede Behörde Auskunft über den Inhaber eines Bankkontos einholen. Kontonummer, Name und Adresse sind bekanntzugeben. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar hat Bedenken angemeldet. Er hoffe darauf, dass das Gericht bis zur endgültigen Entscheidung anderen Sinnes wird. Völlig ungeklärt ist bislang, welche Behörden Zugriff auf die Daten erhalten. Bislang war dies nur durch einen Gerichtsbeschluss möglich.

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Amenophis IV Redaktion „Jetzt darf jeder schnüffeln“
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Bankgeheimnis gegenüber dem Staat aufgehoben



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Seit einiger Zeit ist auch die breite Öffentlichkeit darüber inf_ormiert, daß die Bankkonten der Bürger vor dem Staat nicht mehr sicher sind. Die Mitglieder unserer Bank haben wir in unseren „Mitglieder-Briefen" im Juli 2003 und Januar 2004 hierüber inf_ormiert. Eine Vielzahl von Berichten in Presse, Funk und Fernsehen hat jetzt auch Millionen von Menschen vor Augen geführt, wie der „gläserne Bankkunde" durch Gesetze geschaffen worden ist. Und dies alles mit der Begründung, gewalttätige Islamisten und die Geldwäsche bekämpfen zu wollen. So wurde in der Folge des 11. Sept. 2001 nach den Terroranschlägen in Amerika sehr schnell in Deutschland die Gelegenheit genutzt, die Bürgerrechte durch gesetzliche Maßnahmen zu beschneiden.

Bereits seit dem 1.4.2003 ist es den Strafverfolgungsbehörden, somit auch jedem Polizisten und den Steuerfahndungsbehörden gestattet, über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Abrufe bei den Banken vorzunehmen. Und dieses geschieht, ohne daß die Bank oder der Kunde hiervon erfährt. Durch die automatisierten Abrufe werden persönliche Angaben und Angaben zur Art des Kontos, wie Girokonto, Darlehnskonto, Sparkonto oder Depotkonto, von den Banken übermittelt.

Vom 24. November 2003 bis zum 31. Dezember 2004 wurden auf diese Weise bereits rund 40.000 Abrufe vorgenommen. Hierdurch sind Inf_ormationen zu etwa 240.000 Konten erteilt worden. Initiiert haben knapp 30.000 dieser Anfragen die Staatsanwaltschaft und die Polizeibehörden, etwa 6.000 die Steuerfahndungsstellen und ca. 1.500 die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Diese Abrufe können ab dem 1.4.2005 auch von den Finanzämtern und den Sozialbehörden vorgenommen werden. Damit ist das Bankgeheimnis dann endgültig „tot". Im Interesse der über 2.300 Mitglieder der Volksbank Raesfeld eG haben wir im Juli 2003 eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen den § 24 c des Kreditwesengesetzes eingelegt, die sich gegen die staatliche Schnüffelei in den Bankbeständen richtet. Das Bankgeheimnis, das ja Ausdruck des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Kunde und Bank ist, wird dadurch, daß der Kunde nicht mehr weiß, welche Daten von ihm bekannt geworden sind, stark beeinträchtigt. Im Oktober 2004 haben wir dann ebenfalls Verfassungsbeschwerde gegen den Art. 2 des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit eingelegt, der die Befugnisse zum Kontenabruf noch weiter ausdehnt. Die Resonanz in den Medien war und ist weiterhin überwältigend. Eine willkürliche Auswahl der Veröffentlichungen finden Sie unter den unten aufgeführten Links.

Monatelang wurde von Seiten der Regierung behauptet, daß eine Änderung der Gesetze nicht geplant sei. Hunderte von Juristen hätten die Gesetze geprüft und alles für gut und richtig befunden. Die öffentliche Diskussion scheint die Experten in Politik und Verwaltung jedoch eines besseren belehrt zu haben. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz ist tief besorgt über die Entwicklung. Die Grünen wollen die Bürger jetzt vor einer Abfrage inf_ormieren. Die SPD möchte dieses erst im nachhinein tun. Die CDU weiß nicht so recht, was richtig ist, und macht dieses auch öffentlich. Die FDP hat verkündet und in ihr Programm aufgenommen, der Schnüffelei ein Ende zu bereiten, wenn sie im kommenden Jahr Regierungsverantwortung in Berlin übernimmt.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 23. März 2005 über unseren Antrag auf einstweilige Anordnung entschieden. Das Ergebnis haben wir in Form einer Pressemitteilung der Öffentlichkeit mitgeteilt. Sie lautet wie folgt:


Automatisierter Kontostammdatenabruf - Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts

Bundesverfassungsgericht greift Bedenken der Antragsteller auf - erläßt aber keine einstweilige Anordnung - das ist, kurz gesagt, das Ergebnis der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung der Volksbank Raesfeld eG, der darauf zielte, die Änderungen des § 93 AO durch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit einstweilen nicht in Kraft treten zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag abgelehnt, dabei aber zunächst betont, daß der Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens offen ist. Deshalb mußte das Gericht eine Folgenabwägung treffen und die Nachteile miteinander vergleichen, die eintreten, wenn das Gesetz jetzt in Kraft tritt und sich später als verfassungswidrig erweist, und die Nachteile, die sich ergeben, wenn das Gesetz nicht in Kraft tritt, sich aber später als verfassungsgemäß herausstellt. Diese Abwägung ist zu Lasten der Antragsteller ausgegangen, aber nur aus einem Grund - weil das Bundesministerium der Finanzen mit einem noch am 10. März 2005 „nachgeschobenen" Anwendungserlaß zentrale Bedenken der Beschwerdeführer aufgegriffen und umgesetzt hat und der Datenabruf dadurch an wesentlich engere Voraussetzungen geknüpft ist, als es aus dem Gesetzestext ersichtlich ist. Insbesondere dürfen Abrufe nur vorgenommen werden, wenn sie unabweisbar notwendig sind, der Betroffene muß vor einem Datenabruf um Auskunft gefragt werden, er muß nachträglich inf_ormiert werden und der Abruf darf nicht vom Sachbearbeiter veranlaßt werden, sondern muß von einem hochrangigen Bediensteten der anfragenden Behörde verantwortet werden.
Damit ist sichergestellt, daß es bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des automatisierten Kontostammdatenabrufs nicht zu irreparablen Grundrechtsverletzungen kommen kann. Bemerkenswert ist dabei, daß das Bundesverfassungsgericht die Ablehnung des Antrags ausdrücklich mit der Forderung verknüpft, daß die durch den Anwendungserlaß aufgestellten Standards auch eingehalten werden. Sollte das nicht der Fall sein, müßte ein neuer Antrag mit dem Ziel, das Gesetzes vorläufig auszusetzen, Erfolg haben. Der jetzt erreichte Standard ist damit verbindlich und darf keinesfalls mehr unterschritten werden.


Falls Sie sich für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts interessieren, finden Sie diese im Internet unter: www.bundesverfassungsgericht.de (unter Entscheidungen).
Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu auch eine Pressemitteilung herausgegeben (unter Pressemitteilungen).

Raesfeld, im März 2005

Quelle: http://home2.vr-web.de/~vr-berater/041116.htm)

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