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'Made in China' auf dem Prüfstand

schuerhaken / 63 Antworten / Flachansicht Nickles

Aus einem Reklamationsschreiben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst die Feststellung, dass hier generell eine grosse Zufriedenheit mit den Leistungen von -Name des Versandhändlers- besteht.

Als es bei der Bestellung einer ‘HERSTELLER-NAME’-Kamera zu einem Problem kam (die Kamera war unbemerkt vom System anderweitig schon vergriffen), wurden wir von einer sehr freundlichen Dame aus -Name des Ortes- angerufen.

Nach längerer Verhandlung kam es zu der Bestellung einer ‘HERSTELLER-NAME’-Kamera XXX-Y00Y. Die wurde auch prompt geliefert.

Vorweg zur Reklamation:
Wir hier (also nicht nur ich allein) schätzen die Japaner und auch Produkte aus Japan.

Nach einem Hinweis anderer Nutzer von ‘HERSTELLER-NAME’-Kameras mussten wir nun zu unserer Überraschung feststellen, dass die gelieferte Kamera "Made in China" ist. Dieser Hinweis ist auf der Kamera für uns nur mit der Lupe lesbar unten auf dem Batteriefach-Deckel angebracht. Auf dem Karton selbst ist dieser Hinweis sehr unauffällig und in sehr kleiner Schrift über der Anschrift von ‘HERSTELLER-NAME’ in JAPAN angebracht.

Es bestand bis zum Hinweis von dritter Seite für uns kein Grund, bei der gelieferten Kamera am Produktionsstandort JAPAN zu zweifeln, weshalb wir zunächst auch nicht nach einem entsprechenden Hinweis suchten.

Der Erwerb und Besitz einer Kamera aus China als Produktionsort ist für uns aber völlig unzumutbar. Wo auch immer möglich (deshalb benutzen wir auch kein iPAD von Apple!) vermeiden wir der Erwerb von Produkten aus China.

Nun produziert ‘HERSTELLER-NAME’ Kameras der ABC-Reihe auch in JAPAN.

Deshalb ersuchen wir Sie um Rücknahme der gelieferten Kamera (die sich noch in einem absolut einwandfreien Zustand "wie NEU" befindet!) und um die die Lieferung einer
-- Kamera ‘HERSTELLER-NAME’ XXX-Y11Y, schwarz --
im Neuzustand, wo bei wir Ihnen einen nachzuzahlenden
-- Aufpreis von EUR x0,00 --
anbieten.

Bei Käufen in Geschäftslokalen achten wir penibel darauf, ob ein Produkt aus China stammt, und lehnen es kategorisch ab, ein Produkt aus China zu erwerben. Wir verzichten u.U. sogar auf einen Kauf, wenn es keine gleich brauchbaren Produkte aus Regionen gibt, wo Menschen in den Fabriken nicht so ausgebeutet und misshandelt werden.

Ganz deutlich:
Wäre bekannt und zu vermuten gewesen, dass die gelieferte Kamera der japanischen Marke ‘HERSTELLER-NAME’ in Wahrheit aus China stammt, hätten wir diese Kamera bei Ihnen nicht gekauft. - Wenn "Made in Germany" weltweit als Qualitätssiegel angenommen wird, sollten Sie uns zugestehen, dass wir "Made in China" als ein Schandmal auffassen und uns entsprechend verhalten.

Sie müssen unser Angebot, als Ersatzlieferung für die zurückzugebende Kamera eine ‘HERSTELLER-NAME’ XXX-Y00Y bei einem nachzuzahlenden Aufpreis von EUR x0,00 zu liefern, nicht annehmen.
In diesem Fall werden wir auf Rücknahme bei Erstattung des vollen Kaufpreises bestehen. Uns bedeuten Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen ohne Ausbeutung armer Menschen sehr viel. Es ist schon schlimm genug, dass es bei bestimmten - oft niedrigpreisigen - Artikeln eine Ausweichmöglichkeit nicht mehr gibt.

Hinweis:
Würde -NAME DES VERSANDHÄNDLERS- bei den einzelnen Angeboten den Herstellungsort angeben oder angegeben haben, hätten wir von vornherein zu dem Modell XXX-Y11Y gegriffen.

Bei der sonstigen Zufriedenheit mit Ihrem Unternehmen erwarten wir nun eine umgehende Stellungnahme zu unserer Reklamation und zu unserem Lösungsvorschlag.

Wir hoffen jedoch, dass Sie unseren Gedanken zu folgen bereit sind und unser Angebot annehmen und mit uns eine notfalls gerichtliche Feststellung der Berechtigung unseres Standpunktes vermeiden helfen.

Mit freundlichen Grüssen,
-Unterzeichner-

 

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schuerhaken mawe2 „Hallo Schuerhaken, kannst Du bitte mal den Link zum Shop...“
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Die Sache läuft noch und hat sich hochinteressant verhakelt.

Bis jetzt habe ich weder dem Verbraucherschutzverband, der mich in der Sache "aus Prinzip" hinsichtlich der ethischen Aspekte voll unterstützt, noch der Anwaltkanzlei, die den Fall "für absolut gewinnbar" hält  (ebenfalls hinsichtlich der ethischen Aspekte).
- den Namen des Versandhändlers oder
- den Namen des Herstellers oder
- die Bezeichnung des spezifischen Modells
genannt.

Vorgetragen wurde lediglich der anonymisierte Sachverhalt mit dem Ersuchen, hinsichtlich
- einer "Irreführung" (durch fehlende Ursprungsangabe),
- einer "berechtigten Erwartungshaltung" (dass Produkte eines japanischen Herstellers auch "Made in Japan" sind und nicht innerhalb einer Modellreihe mal in Japan, mal in China hergestellt sind) und  
- einer "Qualität", die auch bestimmte Herstellungsbedingungen umfasst,
eine Beurteilung vorzunehmen. 

Hinsichtlich des herausgestellten "Prinzips",
- dass man sich als Erwerber nicht dadurch "bereichern" (dadurch "sparen") möchte,
- dass man in China hergestellte Produkte erwirbt, die (entsprechend durchgängiger Berichterstattung) mit hoher Wahrscheinlichkeit unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt sind, welche vor allem dazu dienen, dass der Profit der/s Hersteller/s gesteigert wird...
... hinsichtlich dieses Prinzips herrschte Einigkeit,
- dass es berechtigt ist und
- dass es eine Erwartungshaltung begründen kann, dass ein "japanisches Markenprodukt" nicht in China hergestellt ist.

Inzwischen wurde recherchiert, dass das gleiche Produkt von Versandhändlern in anderen Ländern teilweise mit dem Zusatz "Made in China" beworben wird. (Vielleicht wegen länderspezifischer Vorschriften.)

Ferner stellte sich heraus, dass die Produktion des japanischen Herstellers bei Modellen, die in China hergestellt werden, vollständig von nach dort abgestellten Japanern gesteuert und kontrolliert wird. Das macht die Sache nicht besser, sondern stützt die Annahme, dass sich Japaner in China aktiv an ausbeuterischen, möglicherweise menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen beteiligen, indem sie Nutzen daraus ziehen.

Insgesamt wird abgeleitet, dass jemand ein Recht darauf hat, bereits vor dem Kauf eines Produktes zu erfahren, wo es hergestellt wurde, und zwar insbesondere in diesem Fall, wo das jahrzehntelang aufgebaute Vertrauen in Produkte eines japanischen Herstellers dadurch "missbraucht" wird, dass der japanische Hersteller und nachfolgende Vetriebskanäle durch einen fehlenden Ursprungshinweis ein Produkt "Made in China" dem Erwerber "unterjubeln".
(Interessant mag sein, dass der japanische Hersteller Panasonic sein neues Modell DMC-G5 mit einem Trailer bewirbt, in dem sehr auffällig auch "Japan Quality" eingeblendet wird. 
http://www.youtube.com/watch?v=RyonDQ2vdzc  - @ 01:41)

Die Angelegenheit tritt wahrscheinlich diese Woche in eine bedeutsame Phase, nach der entschieden wird, ob auch eine Klage eingereicht wird/werden muss.

Sollte eine Klage notwendig werden und auch Erfolg haben, werden vielleicht jene, die bislang Gleichgültigkeit oder Fatalismus an den Tag gelegt haben, die Ersten sein, die von sich behaupten, sie hätten das ja schon immer gewusst.
Dazu sage ich:
Dieses ist "mein" Fall, "mein" Interesse und entspricht "meinen" spezifischen Umständen und Haltungen. Doch im Falle eines Erfolges bei Gericht könnte das Ergebnis EU-weit von Bedeutung sein/werden.

Denn es geht hier
nicht darum, zu welchen Anteilen anderweitig hergestellte Produktbestandteile in einem Fertigprodukt maximal enthalten sein dürfen, um ein bestimmtes "Made in ..." zu rechtfertigen oder zu unterbinden,
sondern vielmehr darum, ob auch Arbeitsbedingungen zu "Qualitätsmerkmalen" gerechnet werden dürfen und können bzw. müssen, um zumindest dort eine Ursprungsangabe vorzuschreiben, wo ein Produkt vollständig in einem Land entsteht, das für menschenunwürdige Arbeitsbedingungen geradezu "berüchtigt" ist.

Ein Produkt besteht nicht nur aus physikalisch wahrnehmbarer Materie, sondern immanent auch aus Leistungen, insbesondere auch aus menschlichen Arbeitsleistungen, die zu seiner Herstellung eingebracht werden (müssen).

Bis dann dann, Manfred

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