Off Topic 20.122 Themen, 223.173 Beiträge

Grossadministrator PegaPX „Rechtsprechung in den USA, - wann sind wir soweit??“
Optionen

http://www.ksta.de/html/artikel/1124192256156.shtml

Mit Tempo 250 im Zug quer durch Europa von Madrid bis Moskau: Falls sich dieser Traum begeisterter Bahnfahrer je erfüllt, werden noch Jahrzehnte vergehen. Denn der Ausbau des internationalen Schienenverkehrs ist enorm teuer und stößt auf viele technische Hürden.

Das geeinte Europa zeigt sich gern fortschrittlich und dynamisch. Im Bahnverkehr jedoch gibt es einigen Nachholbedarf. Einer der Hauptgründe dafür, dass der internationale Personen- und Güterverkehr viel geringer wächst als möglich, sind vielfach fehlende technische Standards. Darüber klagt nicht zuletzt die Bahnindustrie. Die Maßstäbe, die das deutsche Eisenbahnbundesamt (EBA) an die Betriebstauglichkeit deutscher Züge anlegt, sind hoch. Doch eine EBA-Zulassung bedeutet noch lange nicht, dass eine neue Lok auch in Frankreich und Italien fahren darf. Selbst vollkommen gleichartige Versuche, klagen deutsche Hersteller, müssten dort wiederholt werden. Und das kann sehr teuer werden.

So forderte Frankreich einen Crashtest für den millionenteuren ICE-Triebkopf, der danach natürlich nur noch Schrottwert hätte. Zehn Millionen Euro kostete die Umrüstung für die Zulassung von nur zwei Lok-Typen in Frankreich und Italien. Der Irrsinn hat Methode. Oft steckt dahinter eine Mischung aus Bürokratie und Protektionismus. Denn natürlich ist Frankreichs Staatsbahn wenig erfreut darüber, dass der Konkurrenzzug ICE künftig gegen ihren TGV antritt.

Wenn es um den Bahnverkehr geht, haben nationale Regeln ein langes Leben. So sind elektronische Tempoanzeigen in deutschen Zugführerständen erlaubt, in Frankreich dagegen nur auf Antrag und in Italien überhaupt nicht. Die Südländer verlangen als einziges EU-Land zudem rote Zeiger für Druckluft-Manometer, überall sonst sollen sie schwarz sein.

In Österreich wiederum muss die Güterlokomotive einen Rückspiegel haben, in anderen Ländern lehnt sich der Fahrer zur Rückwärtsfahrt aus dem Fenster. Die Alpenrepublik verlangt als einziger EU-Staat zudem einen Schaumfeuerlöscher im Führerstand, die übrigen Mitglieder akzeptieren zur Brandtilgung auch Kohlendioxid.

Immerhin: Bei Güterzügen hat Brüssel geregelt, dass künftig die Zulassung in einem EU-Staat genügt, um freie Fahrt in der ganzen Gemeinschaft zu haben - sofern das technisch überhaupt geht. Denn allein in der EU gibt es im Fernverkehr vier verschiedene Spurweiten, dazu fünf Stromsysteme, 18 Leit- und Sicherungssysteme, 25 Nationalbahnen und gleichviele Zulassungsbehörden. Jeder Nationalstaat hat eigene Standards.

Brüsseler Richtlinie

Mit der Liberalisierung im Verkehrsmarkt gab Brüssel zwar Mitte der 90er Jahre eine Richtlinie vor, die festlegt, dass künftig zumindest Hochgeschwindigkeitsstrecken in den Mitgliedstaaten durch einheitliche Technikstandards für alle nutzbar sein sollen. Das erfordert indes Milliardeninvestitionen in bestehende Netze und Züge - und dauert daher entsprechend lange. Immerhin steht mit dem European Rail Traffic Management System (ERTMS) nun ein neuer Standard für die Leit- und Sicherungstechnik fest, der künftig Lokwechsel an der Grenze ersparen soll.

Das System besteht aus dem Mobilfunkstandard GSM-R und dem Kontrollsystem ETCS (European Train Control System). Aufwändige Signal- und Leitanlagen entlang der Strecke sollen dadurch überflüssig werden. Ziel ist die drahtlose Steuerung von Zügen bis hin zur vollautomatischen Bahn ohne Fahrer. Das klingt gut, bedeutet für Europas Bahnen aber Kosten von mindestens sechs Milliarden Euro für die Umrüstung. Die Deutsche Bahn muss 3300 Kilometer Strecke und 3100 Züge mit neuer Technik ausstatten.

Seit Jahresbeginn sind die EU-Mitgliedsstaaten per Gesetz verpflichtet, die neue Technik einzuführen, die Siemens und Alcatel entwickelt haben, der die Serienreife aber noch fehlt. Von beiden Konzernen stammt auch die bisherige Leittechnik LZB, die sich in Deutschland seit drei Jahrzehnten bewährt hat und Streckeninformationen über Leitstränge in den Gleisen zum Zuglenker sendet. Europa hat sich aber für ein moderneres System entschieden. Während die Spanier zwischen Madrid und Barcelona auf der gesamten Strecke die neue Technik erproben und nächstes Jahr auf Abnahme durch die Behörden hoffen, hat die Deutsche Bahn bisher nur auf einer kurzen Strecke zwischen Berlin und Leipzig das ECTS-System getestet.

Die neue Schnellstrecke zwischen Paris und Frankfurt soll von 2007 an die erste grenzüberschreitende Verbindung mit ECTS werden. Die Deutschen schätzen, dass die Umrüstung bis zu 20 Jahre dauert. Bis dahin müssen alte und neue Technik teuer parallel betrieben werden. Die Bahn fordert daher EU-Förderung nicht nur für die Netzaufrüstung, sondern auch für neue Leittechnik in den Fahrzeugen. Damit aber stößt man in Brüssel bisher auf taube Ohren.

bei Antwort benachrichtigen