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Ein unfassbares Denkexperiment lässt gerade die Internet-

charlie62 / 102 Antworten / Flachansicht Nickles

Communities streiten: Hebt ein Flugzeug ab, wenn es auf einem Laufband steht? Darüber strömen Blut, Bits und Tränen: Helfen Sie allen aus der Patsche?

http://www.sueddeutsche.de/,ra4m5/kultur/artikel/196/126003/

Na, dann wollen wir bei Nickles mal nicht außen vor bleiben. ;o)

Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: -Das ist mein!- und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Not und Elend und wie viele Schrecken hätte derjenige dem Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: -Hütet euch, auf diesen Betrüger zu hören; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass die Früchte allen gehören und die Erde niemandem.- (Jean-Jacques Rousseau)
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Und es fliegt doch :-) fgh443
Ein weiterer Denkfehler dff
Nicht so ganz ohne ... martin136
Nicht so ganz ohne ... Fetzen
Nicht so ganz ohne ... xafford
@Kongking: FULL ACK - fgh443
... jueki
Lass uns Gummieis nehmen! Fetzen
Nix besseres zu tun gehabt? dff
gerhard38 olli61 „Also, ich bin kein Ingineur und auch kein Doktor, aber ich weiß, das Flugzeug...“
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Die Fragestellung lautete:

Eine Geschwindigkeits-Steuerung setzt das Laufband automatisch in Bewegung sobald die Räder des Flugzeugs anfangen zu drehen. Und zwar mit der gleichen Geschwindigkeit, nur in die entgegengesetzte Richtung.

Hier liegt in den Angaben eine Unschärfe: In Bezug worauf werden die
Geschwindigkeiten bestimmt bzw. gemessen? Die meisten gehen davon
aus, dass die Rollbahn / das Flugfeld das Inertialsystem ist, auf das
sich die Geschwindigkeitsangaben beziehen. Wenn Du dir vorstellst,
dass ein Auto mit 100 kmh auf dem Rollfeld fährt und dann auf das
Laufband auffährt, das sich mit ebenfalls 100 kmh in entgegengesetzter Richtung bewegt, dann würde es natürlich - mehr oder schlagartig - gegenüber dem Rollfeld die Geschwindigkeit 0 erreichen. Gegenüber dem Laufband hätte es nach wie vor die Geschwindigkeit 100 kmh, das würde man auch auf dem Tachometer ablesen können. Allerdings würde der Fahrer merken, dass er, um wirklich gegenüber dem Rollfeld die Geschwindigkeit 0 zu haben, jetzt ganz stark vom Gas gehen muss: Da sich das Auto gegenüber dem Rollfeld nicht mehr bewegt, bewegt es sich auch gegenüber der Luft nicht mehr (es wird in Bezug auf das Rollfeld Windstille angenommen), damit fällt der gesamte Windwiderstand weg und der Motor des Autos müsste nur noch so viel Energie aufbringen, dass er den Reibungswiderstand und Rollwiderstand der Räder bei 100 kmh
kompensiert. Wenn das Auto gut geschmierte Kugellager hat und die
Reifen ordentlich aufgepumpt sind, so sind diese Energieverluste nur
sehr gering. Es wäre schon fast so, als würde das Auto mit dem Chassis
auf einer Hebebühne stehen und die (Antriebs-) Räder könnnte sich frei
in der Luft drehen.

Aber stell dir jetzt folgendes vor: Nachdem das Auto, sobald es auf
dem Laufband steht, gegenüber dem Bezugssystem Flugfeld die
Geschwindigkeit 0 (Null) hat - das ist ja deine Überlegung mit der
Addition der Geschwindigkeiten -, könnte man doch ganz gemütlich
hergehen, und zwei weitere, baugleiche Autos auf der Rollbahn auffahren lassen.
Man macht das so: ein Auto fährt auf der linken Seite auf der Rollbahn
- und neben dem Förderband - auf gleiche Höhe wie das Auto auf dem
Förderband, und das zweite Auto macht es genauso auf der rechten
Seite: Jetzt haben wir 3 Autos nebeneinander: In der Mitte jenes aus
eigener Kraft gegen das Förderband mit 100 kmh (relativ zum Förderband, 0 kmh relativ zum Rollfeld) rollende, außen die beiden auf der Rollbahn stehenden, diese allerdings mit angezogener Bremse. Diese Position bleibt erhalten, da ja - in Bezug auf die
Rollbahn -, alle drei Autos "in Ruhe" sind, sich also mit 0 kmh bewegen.

Jetzt legen wir vorne zwischen den beiden äußeren Autos in
Stoßstangenhöhe eine Latte oder Stange quer über das Förderband zum
jeweils anderen äußeren Auto und verbinden diese Stange gut mit den Stoßstangen der äußeren Autos. Diese Stange würde jetzt auch sehr nahe zur Stoßstange jenes Autos zu liegen kommen, das auf dem Förderband steht. Ein
beherzter Passagier klettert jetzt aus dem auf dem Förderband stehenden
Auto, z. B. aus dem Fenster, klettert über die Kühlerhaube des Autos
nach vorne und verbindet mit einem normalen Abschleppseil die
querliegende Stange mit der Stoßstange des mittleren Autos. Solange er auf das eigene Auto, die beiden anderen Autos, die Stange oder das Rollfeld schaut, ist alles in Ruhe. Sieht er auf das Förderband unter ihm, dann rast er mit 100 kmh darüber hinweg. Dann
kriecht er wieder ins Auto zurück.

Jetzt macht der Fahrer des mittleren Autos folgendes: Er nimmt das Gas
komplett zurück, schaltet in den Leerlauf und stellt den Motor ab. Was
wird passieren: Die Energie, die bisher aus dem Motor kam, um den
Reibungs- und Rollwiderstand der Räder bei 100 kmh (gegenüber dem
Förderband) zu kompensieren, kommt jetzt aus der Energie des
Förderbandes. Das mittlere Auto hängt jetzt nämlich an der Querstange,
diese an den mit Handbremse fixierten Autos rechts und links. Die
Räder des mittleren Autos werden nicht mehr, wie vorher, aktiv durch
den Automotor, sondern nunmehr passiv dadurch angetrieben, dass unter
dem festgehaltene mittlere.Auto das Förderband quasi "durchgezogen"
wird.

Und jetzt bekommen die beiden äußeren Autos ein Zeichen und fahren
gleichzeitig los! Dadurch wird das mittlere Auto sozusagen
angeschleppt, es beginnt sich mit gleicher Geschwindigkeit und in
gleicher Richtung zu bewegen wie die beiden äußeren Schleppfahrzeuge. Die Steuerungsanlage des Förderbandes "merkt", dass sich das
mittlere Auto auf einmal mit 110 km bewegt und regelt seine
Geschwindigkeit ebenfalls auf 110 kmh hinauf - aber was solls, die
Räder des mittleren Autos werden von dem Förderband halt noch ein
wenig schneller passiv angetrieben - aber daran, dass das mittlere Auto
sich dennoch gegenüber dem Rollfeld jetzt mit der Geschwindigkeit der ziehenden Autos vorwärtsbewegt, ändert das gar nichts.

Nehmen wir an, die beiden ziehenden Autos würden bis auf 120 kmh
(gegenüber dem Inertialsystem Rollfeld) beschleunigen, dann haben wir
folgende Situation: Die beiden äußeren Autos bewegen sich gegenüber
dem Rollfeld mit 120 kmh. Das mittlere Auto - wegen Stange und
Abschleppseil - ebenso. Das Förderband hätte mindestens eine
Geschwindigkeit von 120 in entgegengesetzter Richtung, der Tachometer
des mittleren Autos würde mindestens 240 anzeigen. Es ist
offensichtlich, dass durch eine äußere Kraft das mittlere Auto auf
eine Geschwindigkeit von 120 kmh gegenüber der Rollbahn gebracht
werden kann, auch wenn sich unter ihm das Förderband mit x-beliebiger
Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung bewegt.

Beim obigen Gedankenexperiment kommt die äußere Kraft von den beiden
Schleppfahrzeugen, die sich auf der Rollbahn "abstüzen", beim
Flugzeug kommt diese äußere Kraft von den Triebwerken, die sich
ebenfalls nicht am Förderband, sondern an der Luft "abstützen".Da
kann man das Förderband unter den Rädern des Flugzeugs durchziehen,
wie man will, das bringt nur die Räder passiv auf entsprechende Geschwindigkeit.

Jetzt die andere Lesart von "... mit gleicher Geschwindigkeit ...": Wir bestimmen die Geschwindigkeit nicht, wie oben, gegenüber dem Rollfeld, sondern gegenüber dem Förderband.

Ich habe oben geschrieben: "mindestens ..." Das ist jedoch eine
problematische Ausdrucksweise. Das Problem kommt daher, dass unklar
ist, mit welcher Geschwindigkeit sich das Förderband in unserem Auto-
Beispiel drehen würde, wenn das Auto zunächst mit 100 kmh auf das
Förderband auffährt und später dann durch die Zugmaschinen auf 120
khm gegenüber dem Rollfeld beschleunigt würde. Sagt man, dass für die
Geschwindigkeit des Förderbandes die Geschwindigkeit des Autos
gegenüber dem Rollfeld verantwortlich ist, dann müsste das Förderband
mit 120 kmh gegen das Auto rollen - ABER: In diesem Fall müsste es
sofort auf Null abgebremst haben, sobald das Auto auf das Förderband
auffuhr, denn in diesem Moment hat ja das Auto gegenüber dem Rollfeld
eine Geschwindigkeit von Null erreicht, weil im ersten Moment das
Förderband mit 100 kmh gegen das Auto rollte und dessen
Geschwindigkeit (gemessen an der Umfanggeschwindigkeit der Räder!) dadurch auf 0 kompensierte. Ein ärgerliches physikalisches
Problem, wenn man sich reale Materialien inklusive Trägheit etc.
vorstellt. Aufgrund der Träger hätte das Auto nämlich die Tendenz, sich weiter mit 100 kmh gegenüber dem Rollfeld weiterzubewegen, im Moment des Auffahrens auf das Förderband, das sich ihm mit 100 kmh entgegenbewegt, müsste es daher schlagartig die Geschwindigkeit der Vorderreifen, die als erstes auffahren auf 200 kmh erhöhen, was natürlich nicht geht und was zur Folge hätte, a) dicke "Bremsspuren" auf dem Förderband und die tatsächliche Abbremsung des Autos. (Ganz analog, wenn ein Flugzeug landet: Die Räder stehen in der Luft noch still, kaum berührt das Fahrwerk den Boden, müssen die Räder passiv von Null auf ... 250 kmh beschleunigt werden - daher die vielen schwarzen "Bremsspuren" am Beginn einer Landebahn: Nicht, weil die Bremsen angezogen sind, sondern weil die Trägheit der Räder eine Beschleunigung von 0 auf 250 in unendlich kurzer Zeit nicht zulässt und sich das wie ein "Bremsen" bemerkbar macht.)

Geht man hingegen davon aus, dass für die Geschwindigkeit des
Förderbandes nicht die Geschwindigkeit des Autos gegenüber dem
Rollfeld, sondern die Geschwindigkeit gegenüber dem Förderband selbst
entscheidend ist, wird es nicht minder verwickelt, da nur dann, wenn
das Auto gegenüber dem Rollfeld in Ruhe ist, die Bedingung:
v(Förderband) = -v(Auto) erfüllt sein kann. Sobald das Auto nämlich -
durch die Zugmaschinen - eine zusätzlich Geschwindigkeit erhält,
sieht die Gleichung so aus: Auto fährt - durch die Zugmaschinen mit
gleichmäßiger Geschwindigkeit gezogen - gegenüber dem Rollfeld 10
kmh, gegenüber dem Förderband - bevor dieses geregelt hat - 110 kmh,
das Förderband bewegt sich jedoch noch mit 100 kmh (relativ zum
Rollfeld - allerdings völlig automatisch und ohne weiteres Zutun mit 110 kmh gegenüber dem Auto. Wenn ein Auto nämlich auf ganz normaler Straße mit x kmh fährt, dann bewegt sich die Straße - relativ zum Auto, ebenfalls mit -x kmh).
Jetzt haben die Sensoren entdeckt, dass die Geschwindigkeit des Autos gegenüber dem Förderband auf 110 kmh zugenommen hat, daher regelt das Förderband jetzt seinerseits auf -110 kmh hoch - oder doch nicht? Wie wir oben beim Auto auf normaler Straße gesehen haben, bewegt sich die Straße ohnehin immer mit genau der selben Geschwindigkeit relativ zum Auto in entgegengesetzter Richtung wie das Auto selbst. Wenn man dieses Argument akzeptiert, bricht der ganze Ansatz überhaupt zusammen. Wir müssen daher, um weitermachen zu können, die Geschwindigkeit des Autos in Bezug auf das Förderband, die Geschwindigkeit des Förderbands jedoch in Bezug auf das Rollfeld betrachten.

Nehmen wir an, dass die beiden Schleppfahrzeuge konstant mit 10 kmh über das Rollfeld fahren und das mittlere Auto mit eben dieser Geschwindigkeit mitziehen: Dann würde das mittlere Auto, nachdem das Förderband auf 110 hochgeregelt hat, jetzt bereits 120
gegenüber dem Förderband haben (gegenüber dem Rollfeld nach wie vor
nur 10 kmh). Das Förderband registriert das und regelt seinerseits
auf 120 hoch - aber gleichzeitig fährt wegen der zusätzlichen 10 kmh
durch die Schleppfahrzeuge das mittlere Auto jetzt schon 120 + 10 =
130 auf dem Förderband. Könnte das Förderband trägheitslos
hochregeln, wäre die Geschwindigkeit in unendlich kurzer Zeit auf
Unendlich (inf), da nur dort gilt: inf + a = inf. Das wäre für die
Ingenieure des Förderbands eine echte Herausforderung :). Ich stelle
schon mal masse- und damit trägheitlose Materialien zur Verfügung :)

Die Sache wird um nichts einfacher, wenn man davon ausgeht, dass das
Auto von Anfang an auf dem Förderband gestanden ist (und nicht schon
mit einer gewissen Geschwindigkeit aufgefahren ist), beide in Ruhe:
Sobald die äußeren Kräfte das Auto mit 10 kmh dahinziehen, steht das
Förderband vor dem Problem, welche Geschwindigkeit es einnehmen soll.
Ebenfalls 10 kmh in entgegengesetzter Richtung? Sobald es diese
Geschwindigkeit einnimmt, hätte das Auto dann 20 kmh gegenüber dem
Förderband, und das Förderband sähe sich genötigt, auf 20 kmh
seinerseits hochzuregeln. Kaum hat es diese Geschwindigkeit und es
würde abermals die Geschwindigkeit des Autos gegenüber dem Förderband
gemessen, hätte das Auto jetzt schon 30 kmh. Der Rest wie oben.

Es ist daher durchaus sinnvoll, die Geschwindigkeiten, um die es geht, immer in Bezug auf das Inertialsystem Rollfeld zu beurteilen und die Forderung, das Förderband soll sich "mit gleicher Geschwindigkeit" dem Flugzeug entgegen bewegen, mit Bezug auf die Geschwindigkeit des Flugzeugs gegenüber dem Rollfeld zu interpretieren, da man sonst auf vertrackte mathematische Probleme aufläuft. Fährt das Flugzeug / Auto 10 kmh in Bezug auf das Rollfeld, rollt ihm das Förderband mit 10 kmh entgegen, und der Tachometer des Autos / Flugzeugs würde 20 kmh anzeigen, wenn gegen das Förderband gemessen würde.

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