Off Topic 20.422 Themen, 226.817 Beiträge

Arbeitsrecht (Betriebsgeheimnis)

violetta7388 / 7 Antworten / Baumansicht Nickles

Hallo Forum,

endlich wieder einmal ein Urteil zum Schutze der Arbeitnehmer. Whistleblowing, in diesem Falle der Verrat von Betriebsgeheimnissen, führte zu einer Kündigung der Mitarbeiterin.

Der EGMR (Europäische Gerichtshof für Menschenrechte) hat in diesen Tagen für die Mitarbeiterin entschieden und die fristlose Kündigung des Arbeitgebers zurückgewiesen. Gut so, denn es ging im Kern um menschenunwürdige Missstände innerhalb der beklagten Klinik.

Details: http://www.focus.de/finanzen/karriere/arbeitsrecht/whistleblowing-altenpflegerin-siegt-vor-menschenrechts-gericht_aid_647893.html

MfG.
violetta

bei Antwort benachrichtigen
Joerg69 violetta7388 „Arbeitsrecht (Betriebsgeheimnis)“
Optionen

Das ist begrüßenswert, allerdings auch ein Extremfall.

Wieviele Abermillionen von Arbeitnehmern werden mündlich, also nicht beweisbar, zum Betrug genötigt. Fliegt das auf, hat der AN auf eigene Verantwortung gehandelt, bekommt die fristlose Kündigung, wird beim Amt gesperrt, kriegt vielleicht noch strafrechtlich eins drauf und nie wieder einen Job, verliert Partner und Familie, mit anderen Worten, wird komplett tot gemacht.

Wenn der AN hier zum Beweis Dokumente aus der Firma mitnimmt oder Sprachaufzeichnungen macht, hat er sich damit selbst schon strafbar gemacht und wird dafür garantiert bestraft. Der große Boß kauft sich mit einer Geldsumme frei, gegen die das Verfahren eingestellt wird.

Sklavenhaltergesellschaft Deutschland. Es ist so gewollt.

Aber wir sind ja die mordernste Demokratie auf der ganzen Welt - natürlich! Geht doch nach Afrika, wenn's euch hier nicht gefällt! Da hungern die Menschen!

Viele Grüße von Jörg
bei Antwort benachrichtigen
Max Payne violetta7388 „Arbeitsrecht (Betriebsgeheimnis)“
Optionen

Nur dass der Knackpunkt in diesem Fall nicht der "Verrat von Betriebsgeheimnissen" war, sondern die Frage, ob der Arbeitnehmer gegen seine arbeitsvertragliche Treuepflicht (§ 241 (2) BGB) verstößt, wenn er objektiv gegen die Interessen seines Arbeitgebers handelt. In diesem Fall: wenn er Strafanzeige gegen seinen Arbeitgeber stellt.

The trouble with computers is that they do what you told them – not necessarily what you wanted them to do.
bei Antwort benachrichtigen
neanderix Max Payne „Nur dass der Knackpunkt in diesem Fall nicht der Verrat von Betriebsgeheimnissen...“
Optionen
sondern die Frage, ob der Arbeitnehmer gegen seine arbeitsvertragliche Treuepflicht (§ 241 (2) BGB) verstößt, wenn er objektiv gegen die Interessen seines Arbeitgebers handelt. In diesem Fall: wenn er Strafanzeige gegen seinen Arbeitgeber stellt.

sorry, aber für mich ist unverständlich, dass sich juristisch diese Frage *überhaupt* stellt.

Man stelle sich den Chefbuchhalter vor, der Unregelmäßigkeiten feststellt - und dann dahinter kommt, dass ein hoher Abteilungsleiter "schmu" macht - oder sogar der Chef persönlich.

Er weiss genau: fliegen die bei der nächsten Betriebsprüfung auf, gilt für ihn, wenn er nichts sagt "mitgehangen mitgefangen".

Oder denk mal an den Lagerleiter / Materialbuchhalter eines Chemikalienhandels der dahinter kommt, dass irgendwer illegale Geschäfte mit Chemikalien tätigt.
Wenn man dem nachweisen kann, dass er ab einem zeitpunkt X von dem Schmu gewusst hat, ist er auch dran, wegen Mitwisserschaft.

Andererseits gilt für beide: erstatten sie anzeige, sind sie nicht nur ihren Job fristlos los, sondern bekommen als Sahnehäubchen obendrauf eine 3-Monats-Sperre der Bundesagentur gegen Arbeitslose, weil sie die Arbeitslosigkeit durch ihr Verhalten selbst herbeigeführt haben ...

Sorry, aber für mich ist es schlicht Absurd, dass Menschen dafür bestraft werden, dass sie offensichtliche Straftaten den zuständigen Behörden melden...

Volker
Computers are like airconditioners - they stop working properly when you open Windows Ich bin unschuldig, ich habe sie nicht gewählt!
bei Antwort benachrichtigen
Max Payne neanderix „ sorry, aber für mich ist unverständlich, dass sich juristisch diese Frage...“
Optionen
Man stelle sich den Chefbuchhalter vor, der Unregelmäßigkeiten feststellt - und dann dahinter kommt, dass ein hoher Abteilungsleiter "schmu" macht - oder sogar der Chef persönlich.

In solchen Fällen sollte es auch bisher schon keine Probleme gegeben haben, sofern der Chef nicht auch gleichzeitig der Eigentümer des Unternehmens ist. Schließlich wird hier ja das Unternehmen von den Tätern (Abteilungsleiter bzw. Chef) als Selbstbedienungsladen fehlinterpretiert.

Nur wenn die "unsauberen" Tätigkeiten inoffizielle Unternehmenspolitik sind (z.B. Deponiebetreiber, der gegen Schmiergeld auch als harmlosen Haushaltsmüll deklarierten Sondermüll abkippen lässt; nachhaltiger Handel mit Gammelfleisch unter falscher Deklaration, ...) wird der Arbeitgeber etwas angepisst reagieren, wenn einer seiner Angestellten an der falschen Stelle plaudert...
In diesen Fällen muss der Angestellte zukünftig zwar nicht mehr mit einer wirksamen Kündigung rechnen; den Job dürfte er aber dennoch los sein, wenn sein Betrieb dicht machen muss.

Daher bleibt die Frage, wie oft dieses Urteil in der Praxis tatsächlich relevant sein wird - wer sägt schon gerne an dem Ast, auf dem er sitzt. Meistens wird es laufen wie bisher: Der Mitarbeiter, der diese Machenschaften nicht mehr mittragen will, sucht sich einen neuen Job und kündigt. Sobald er aus dem Unternehmen raus ist, bekommen die Behörden einen Tipp...
The trouble with computers is that they do what you told them – not necessarily what you wanted them to do.
bei Antwort benachrichtigen
The Wasp Max Payne „ In solchen Fällen sollte es auch bisher schon keine Probleme gegeben haben,...“
Optionen

VW-Bestechungsaffäre, Siemes Bestechungsaffäre, Telekom-Abhör-Affäre, Lidl-Bespitzelung, Gammelfleisch und vergammelnde Pflegebedürftige, die keiner sehen will ... und du redest von Treue und Praxisrelevanz.
Deutschland ist eines der korruptesten Länder, nur ist alles fein säuberlich hinter Paragraphen versteckt, bis es irgendwann auffliegt und nicht mehr zu vertuschen ist. Und was ist es dann? Ein angeblicher Einzelfall.
Bananenrepublik Deutschland, nur noch auszuhebeln durch Gerichte, die sich nicht von deutscher Gründlichkeit und Pragmatik korrumpieren lassen.

Ende
bei Antwort benachrichtigen
violetta7388 Max Payne „Nur dass der Knackpunkt in diesem Fall nicht der Verrat von Betriebsgeheimnissen...“
Optionen

Hallo Max Payne,
hallo Forum,

der AN handelt nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten, vielmehr kommt der AN in diesem Falle seinen bürgerlichen Rechtspflichten nach, Missstände dem AG anzuzeigen und gffs. auch pflichtgemäss zur Anzeige zu bringen. Ansonsten macht sich der AN mitschuldig.

Dies ist im weitesten Sinne auch der Urteilskern des EUMR.

Das einer Anzeige gegen den AG auch die Auflösung des Arbeitsvertrages folgt, muss (leider) jedem AN bewusst sein, denn spätestens jetzt ist das Vertrauensverhältnis zwischen beiden Parteien gestört. So die bisherige deutsche Arbeitsrechtssprechung, die nun aber nach dem EUMR-Urteil ebenfalls korrigiert werden muss.

Das EUMR hat dem AN bekanntlich eine Entschädigung von 15.000 € zugesprochen, was aus meiner Sicht allerdings ein Witz ist. Ein symbolischer Betrag eben.

Im übrigen darf durch den AG nicht fristlos gekündigt werden!

Ebenso ist eine Arbeitslosengeldsperre nicht zulässig, da insbes. kein Verschulden des AN vorliegt.

Jeder betroffene AN sollte sofort einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt einschalten. Eine Rechtsschutzvers. minimiert das Kostenrisiko, deckt jedoch nicht alle Fälle, z.B. Versagen des Versicherungsschutzes bei Betrug durch den AN.

MfG.
violetta





bei Antwort benachrichtigen
gelöscht_305164 violetta7388 „Hallo Max Payne, hallo Forum, der AN handelt nicht gegen arbeitsvertragliche...“
Optionen

In einem anderen Forum habe ich mich ungefähr so geäußert:
"Das Urteil des BAG halte ich für bedenklich.
AN, die rechtswidrige Machenschaften des AG zur Anklage bringen, riskieren den Bezug von ALG, weil schuldhaft gehandelt."
Jetzt wird es heftig:
Wenn ich in einem KZ arbeite, darf ich meinen Arbeitgeber nicht anzeigen?

bei Antwort benachrichtigen